Der Mann aus Israel (German Edition)
Straßenzüge genauestens, die Häuser, die Straßen, die Kirchen,
die Hotels. „Schau da drüben ist das Hotel Ariel. Die zwei schlanken
Front-Bogen symbolisieren die Gesetzestafeln, die Gott an Moses gab.“ Sogar den
beleuchteten Felsendom benennt er eigens. Ich ärgere mich und fühle mich schon
wieder so ausgeschlossen. Dürfen wir Fremde nicht einmal erkennen, wenn wir
schon nichts begreifen? Die Schweizer machen es genauso, denke ich, nach
zwanzig Jahren Basel erklären mir dieselben Leute immer noch dieselben Dinge,
als sei ich ein vorbeireisender Tourist. Bei mir würgen sie damit
augenblicklich das Aufkeimen eines Wohlgefühls ab. Ich bin dann eine Fremde und
benehme mich auch so. Steckt da Absicht dahinter? Bei den Schweizern wohl
nicht, denke ich, aber bei meinem Superhirn hier auf dem mondbeschienenen
Balkon hoch über Jerusalem könnte ich durchaus recht haben. „Ach, das ist der
Felsendom“, rufe ich bissig, „das hätte ich jetzt gar nicht gemerkt. Ich
dachte, das sei die Kuppel des Israel- Kino. Es ist schon toll, wenn ein
Eingeborener in der Nähe ist.“
„Ja, schon gut, Frau Doktor, ich weiß, wie klug Du bist.“ Er
lacht übers ganze Gesicht, an den Ohren bilden sich die kleinen weichen
Fältchen, die ich so gerne berühren möchte. Er streift mit dem Rücken seiner
Hand über meine Wange und sofort stehe ich unter Strom, Tausende von kleinen
Nadeln prickeln durch mein Blut. Ich mache ganz schnell einen Schritt zurück.
„Kann ich Dir etwas zu trinken anbieten, Raffi?“
„Hast Du noch von dem Zeug, das Du mir neulich angeboten
hast?“ antwortet. Ich gehe rasch ins Zimmer zurück und suche den Cognac. Ich
habe die Flasche in der Zwischenzeit schon leergetrunken, aber darüber muss ich
ja nicht unbedingt Bericht erstatten. Ich hole stattdessen Cognac aus der Minibar,
gieße den Inhalt der kleinen Fläschchen in die Cocktailgläser und gehe zurück
zu Raffi auf den Balkon. Er lehnt mit dem Rücken an das Geländer, die
Ellenbogen aufgestützt, die Beine von sich gestreckt. „Oh, Madame hat Stil.“
sagt er frech, als ich ihm das Glas überreiche. „Ich schon.“ antworte ich ihm
schnippisch. „Ich hoffe, es stört Dich nicht allzu sehr, dass dies hier Martini -Gläser
sind und keine Cognac-Schwenker.“
„Ach, weißt Du“, lacht er fröhlich. „für einen unfeinen
Israeli tut`s das schon.“ Er bleibt keine Antwort schuldig. Nicht Raffael. Wir
prosten einander zu. „Ich trinke Deine kostbare Gabe mit zwei Schlucken und
dann gehe ich, okay?“ fragt er leise und nippt an seinem Glas. Für eine Sekunde
schauen wir uns in die Augen, um mich herum fängt alles zu flimmern an, ich
tauche tief in seine Augen, wie in einen Magnet zieht es mich in ihn hinein.
Ich sehe nichts mehr, bin nur noch ein Bündel von vibrierenden Gefühlen.
Er beugt sich zum mir herab und bedeckt mein Gesicht mit
vielen kleinen Küssen. Sein Mund ist weich und nachgiebig. Es rieselt in mir,
ich habe keinen Halt mehr, will keinen mehr haben. Er schiebt den Bademantel
zurück, er fällt auf den Boden. Ich stehe völlig nackt da. Sanft und unendlich
zärtlich hüllt er mich ein mit seinen Küssen. Sein Mund bahnt sich seinen Weg
von meinem Hals über meine Schultern bis zu meinen Brüsten. Er flüstert ganz
leise zarte Liebesworte. „Du bist so schön, Elisabeth .“
Ich ziehe ihn zu mir hoch, knöpfe sein Hemd auf, unsere
nackte Haut trifft sich. Es ist wie ein Hineinschlüpfen in den anderen,
grenzenlos, warm und voller Verlangen nach Ewigkeit. Er schaut mich an und
lächelt ernst. „Willst Du wirklich, Elisabeth? Wirklich? Wirklich?“
„Ja, Raffi. Wirklich.“ Er hebt mich auf und trägt mich
hinein ins Zimmer, auf das Bett mit den damastenen Laken. Er streichelt und
küsst mich am ganzen Körper. Jeden Zentimeter erobert sein warmer Mund. „Du
bewegst Dich so schön, Elisabeth“, flüstert er mir ins Ohr. „Dein Körper ist
wie eine tanzende Schlange.“ Ich spüre seinen Mund, seine Lippen, seine Zunge,
seine Zähne, seinen Speichel, seinen Atem, und ein Strom von Glück durchläuft
mich, besetzt meine Poren und Kapillaren und Fußspitzen, ich höre Geigen und
Celli, Flöten und Triangel. „Komm` zu mir, Raffael.“ Und endlich, endlich höre
ich auf zu denken.
Fünfter Tag
Ich spüre, wie ich aus einem tiefen, fernen Traum
zurückkehre, von weit, weit her dreht sich die Spirale meines Bewusstsein
langsam zurück von der somnambulen Ohnmacht zurück zu den eckigen Umrissenen
der Realität. Ich
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