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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Konstantinopel?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nehmen wir einmal an, wir offerierten den Russen Konstantinopel – würde Lloyd George auch dagegen Einspruch erheben?«
    »Er würde wahrscheinlich meinen, es sei das gleiche, als wenn wir Cardiff den irischen Republikanern schenkten«, sagte Churchill.
    Waiden ignorierte ihn und blicke Asquith an.
    Der Premier legte Messer und Gabel nieder. »Nun, da er einmal seine prinzipiellen Einwände geltend gemacht hat, wird er vielleicht zeigen wollen, wie vernünftig er sein kann, wenn man ihm einen Kompromiß anbietet. Ich glaube, er könnte darauf eingehen. Wäre es für die Russen ausreichend?«
    Waiden war nicht sicher, aber seine neue Idee gab ihm wieder Mut. Er sagte spontan: »Wenn Sie Lloyd George überzeugen können, kann ich Orlow überzeugen.«
    »Ausgezeichnet!« sagte Asquith. »Und nun sagen Sie uns mal, was mit diesem Anarchisten los ist.«
    Waidens Optimismus erhielt einen Dämpfer. »Man hat alles getan, um Alex zu beschützen, aber ich mache mir große Sorgen.«
    »Ich hielt Basil Thomson für einen guten Mann.«
    »Das ist er auch«, sagte Waiden. »Aber leider könnte Felix ihm überlegen sein.«
    Churchill bemerkte: »Ich finde, wir sollten uns von dem Burschen keine Angst machen lassen .«
    »Aber ich habe Angst meine Herren«, unterbrach ihn Waiden. »Schon dreimal ist uns Felix durch die Finger geschlüpft. Beim letzten Mal hatten wir dreißig Polizisten für seine Festnahme. Ich sehe zwar nicht, wie er jetzt zu Alex gelangen kann, aber das bedeutet noch lange nicht, daß er keinen Weg finden wird. Und wir wissen, was geschehen wird, falls Alex einem Mordanschlag erliegt: Dann ist unser Bündnis mit Rußland erledigt. Felix ist der gefährlichste Mann in England.«
    Asquith nickte und machte ein finsteres Gesicht. »Falls Sie mit den Schutzmaßnahmen für Orlow nicht völlig zufrieden sind, wenden Sie sich bitte direkt an mich.«
    »Ich danke Ihnen.«
    Der Butler bot Waiden eine Zigarre an, aber dieser lehnte dankend ab. »Das Leben muß weitergehen«, sagte er, »und ich habe noch eine Verabredung bei Mrs. Glenville. Ich werde meine Zigarre dort rauchen.«
    »Erzählen Sie ihr nicht, wo Sie zu Abend gegessen haben«, sagte Churchill lächelnd.
    »Ich würde es nicht wagen – sie würde nie wieder mit mir reden.«
    Waiden trank seinen Portwein aus und erhob sich.
    »Wann werden Sie Orlow den neuen Vorschlag unterbreiten?« fragte Asquith.
    »Ich fahre gleich morgen früh mit dem Auto nach Norfolk.«
    »Ausgezeichnet.«
    Der Butler brachte Hut und Handschuhe, und Waiden verabschiedete sich.
    Pritchard stand am Gartentor und plauderte mit dem diensthabenden Polizisten. »Zurück nach Hause«, sagte Waiden zu ihm.
    Während der Fahrt dachte er nach. Er war ziemlich voreilig gewesen und hatte versprochen, Orlows Zustimmung zu dem Konstantinopel-Plan einzuholen, aber er wußte nicht, wie er es anstellen sollte. Er war sehr besorgt und begann sich zu überlegen, mit welchen Worten er morgen sein Anliegen vortragen würde.
    Zu Hause angekommen, hatte er noch keine Fortschritte gemacht. »Wir brauchen den Wagen in ein paar Minuten wieder, Pritchard.«
    »Sehr wohl, Eure Lordschaft.«
    Waiden trat ins Haus und ging hinauf, um sich die Hände zu waschen. Auf der Treppe begegnete er Charlotte. »Was macht Alex?«
    »Es ist etwas mühsam.«
    »Warum hast du dich eigentlich auf all das eingelassen?«
    Er lächelte. »Um Deutschland daran zu hindern, daß es Europa erobert. Aber zerbrich dir bitte nicht dein kleines hübsches Köpfchen …«
    »Das tue ich auch nicht. Aber wo in der Welt hast du unseren Vetter Alex versteckt?«
    Er zögerte. An sich konnte sie es ruhig wissen, aber andererseits war sie durchaus fähig, das Geheimnis zufällig auszuplaudern. Also lieber nicht. Er sagte: »Falls jemand dich fragen sollte, antworte einfach, du wüßtest es nicht.«
    Er lächelte und ging auf sein Zimmer.

    Es gab Zeiten, in denen das englische Leben für Lydia jeden Reiz verlor.
    Gewöhnlich liebte sie Abendgesellschaften. Besonders solche wie heute abend, wo sich einige hundert Leute bei Mrs. Glenville einfanden, um nichts zu tun. Es gab keinen Tanz, keine formelle Mahlzeit, kein Kartenspiel, man schüttelte der Gastgeberin die Hand, nahm sich ein Glas Champagner, wanderte im großen Haus umher, plauderte mit seinen Freunden und bewunderte die Abendtoiletten der Anwesenden. Aber heute kam ihr das alles sinnlos vor. Ihre Unzufriedenheit ließ sie Heimweh nach Rußland

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