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Der Mann, der den Zügen nachsah

Der Mann, der den Zügen nachsah

Titel: Der Mann, der den Zügen nachsah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Übrigens, wenn Sie hier so weiterspielen, verlieren Sie soviel Sie wollen…«
    »Ich weiß.«
    »Und Sie spielen trotzdem weiter?«
      Er hatte seine Pfeife ablegen müssen, die ihm hinderlich war. Statt dessen hatte er sich Zigarren gekauft. Er trank einen Aperitif, dessen Name ihm unbekannt war, den aber, wie er sah, die meisten Gäste tranken und dessen Farbe ihm besonders gefiel.
    Wirklich sonderbar, dieser Weihnachtstag! Kein Mensch kümmerte sich um die religiösen Zeremonien und man hörte nicht das kleinste Glockengeläut. An einem der Tische wurde Karten gespielt. Eine ganze Familie, Vater, Mutter und zwei Kinder. Der Vater spielte mit seinen Kumpanen und die drei anderen sahen zu. Die Kinder tranken von Zeit zu Zeit einen Schluck aus seinem Glas.
    Popinga hatte seine Berechnungen beendet.
    Gewichtig trat er an die Theke und erklärte dem Wirt:
      »Wissen Sie, was so ein Apparat wie dieser einbringt? Mindestens hundert Francs pro Tag. Nehmen wir an, der Apparat kostet fünftausend Francs…«
    »Und wenn man ihn auf den Kopf stellt?« sagte einer.
    »Das hilft auch nichts. Ich werd’s Ihnen erklären…«
      Zwei Seiten seines Notizbuches waren mit Gleichungen bedeckt. Man hörte ihm zu, ohne zu verstehen. Als er ging, fragte jemand:
    »Wer ist das?«
    »Weiß nicht. Würde sagen, ein Ausländer.«
    »Bei wem arbeitet er?«
      »Keine Ahnung! Er hat zweihundert Francs in dem Kasten gelassen. Komische Type…«
    »Finden Sie nicht, daß er ein bißchen verrückt wirkt!«
    Und ein Eisenbahner bemerkte abschließend:
      »Immer dasselbe mit den Ausländern. Ist eben, weil wir sie nicht verstehen…«

    Goin kam von seinem Fußballspiel zurück, und Rose ging zum Tanzen. Die Werkstatt wurde abgeschlossen. Goin, in Pantoffeln in der Küche, entfaltete eine Zeitung, drehte sich eine Zigarette und wirkte wie der ruhigste und zufriedenste Mensch, den man sich denken kann, während Kees ein paar Notizen in seinem Buch weiter ausführte: Profit bei den drei Autos: dreißigtausend Francs, gering gerechnet. Und das jede Woche einmal, was ganz leicht ist, ergibt im Jahr…
      Und dann darunter: Möchte Jeanne Rozier wiedersehen und wissen, warum sie mich hierher hat bringen lassen.
      Danach begab er sich zu Bett, nicht ohne eine ganze Weile die Gleise in der Nacht zu betrachten, die grünen und roten Lichter und die dunklen Züge, die vorbeifuhren; vor allem aber dachte er unausgesetzt an Jeanne Rozier und malte sich Intimitäten aus, die ihn zur gegebenen Zeit kaltgelassen hatten.
      Am nächsten Morgen stand er um zehn Uhr auf. Draußen lag eine ganz dünne Schneedecke, nicht auf der Straße, wo sie geschmolzen war, aber auf den Böschungen und zwischen den Bahngleisen. Er fand Rose im Neglige in der Küche und fragte sie, wo ihr Bruder wäre.
    »Er ist nach Paris.«
      In der Werkstatt war nur Kiki, der ein Aggregat reparierte, wobei wie bei einem fleißigen Schüler seine Zunge mitarbeitete.
    »Ich möchte auch nach Paris«, sagte er zu Rose.
      »Mein Bruder hat mir gesagt, ich soll Sie davon abhalten. Er meint, Sie würden das verstehen, wenn Sie die Morgenzeitung läsen…«
    »Was steht denn darin?«
    »Ich weiß nicht. Ich hab’s nicht gelesen.«
      Man spürte, daß sie nicht neugierig war. Sie war damit beschäftigt, Zwiebeln in einer Kasserolle anzuschmoren, und sie wandte sich nicht nach ihm um, als er die Zeitung aufschlug.

    Man wird verstehen, daß wir in einer so delikaten Angelegenheit zu größter Diskretion verpflichtet sind. Immerhin dürfen wir uns die Andeutung erlauben, daß das Weihnachtsfest nicht für alle Menschen ein Ruhetag gewesen ist und daß der Kommissar Lucas von der Kriminalpolizei gute Arbeit geleistet hat. Es darf jeden Moment mit der Verhaftung des Satyrs von Amsterdam gerechnet werden, der…

    Immer diese Manie! Mit einer verächtlichen Handbewegung unterstrich er das Wort »Satyr« und betrachtete dann mit einem Anflug von Lächeln den Rücken von Rose, ihre mächtigen Hüften, die der Morgenrock noch breiter erscheinen ließ.

    Andererseits erfahren wir aus Holland, daß die Geschichte womöglich noch unerwartete Dimensionen annehmen kann, angesichts der Tatsache, daß über das Haus Julius de Coster en Zoon gerichtlich Konkurs verhängt wurde. Könnte es also sein, daß Kees Popinga, als er entdeckte, daß alle seine Ersparnisse, die er als Angestellter in der Firma angelegt hatte, verloren waren, sich an seinem Chef gerächt hätte? Muß man da noch

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