Der Mann, der's wert ist
Frühlingsblumenstrauß, den ich unten im
Flur auf einem Hocker arrangierte, um Angelas Blick von der Tapete und den
Kunstdrucken abzulenken. Der Effekt war wirklich verblüffend, wenn man nun zur
Haustür reinkam, um die Ecke bog, sah man nur noch den Blumenstrauß.
Als Nora den Strauß sah, sagte
sie: »Im Garten sind auch bereits Tulpen, die könnte ich dann Montag Medi zur
Begrüßung schenken.«
»Da freut sie sich bestimmt«,
sagte ich nichtsahnend.
Eine Stunde später stand im
Flur noch ein Strauß, vier mickrige Tulpen und dürre Ästchen in einer
halbmeterhohen Bodenvase aus gelbgraubraun gestreifter Keramik. Aus der Vase
ragte ein Plastikeinsatz, ohne den die mickrigen Blumen spurlos in der Vase
versunken wären. Das Allerschlimmste: Nora hatte diese Bodenvase direkt neben
den Hocker mit meinem prächtigen Strauß gestellt. Ihr lächerlicher Strauß machte
meinen lächerlich und mich dazu — Angela würde mit einem Blick merken, daß die
Blumen extra für sie aufgestellt waren.
Ich war viel zu nervös, um mit
Nora einen anderen Platz für ihre Vase zu diskutieren. Schließlich beschloß
ich: Kurz ehe Angela kam, würde ich die Bodenvase schnell in die Ecke hinter
der Treppe schieben. Das sind immer die besten Lösungen: still und heimlich
Tatsachen schaffen!
Dann löste ich das
Kleidungsproblem. Es wäre blöd gewesen, mich für Angela besonders schick zu
machen, ich wollte völlig normal aussehen. Nach reiflicher Überlegung entschied
ich mich für mein 185-Mark-T-Shirt und alte, aber saubere Jeans, dazu meine
Veilchenohrringe. Gegen Angelas Schmuckhalden konnte ich sowieso nicht
konkurrieren, aber mein Schmuck war von dem Mann, der mich liebte! Und passend
zu den Ohrringen ein winziger Hauch lila Lidschatten im äußeren Augenwinkel,
nur einen Tupfer. Ich prüfte mein Outfit im Spiegel — exakt richtig, um Angela
mitzuteilen, was eigentlich Sache ist.
Und falls sie total meckern wollte,
war ich durchaus bereit, die Bombe platzen zu lassen. Erst würde ich ihr
mitteilen, daß ich auf den Job bei ihrem Daddy keinerlei Wert lege »...und
davon abgesehen«, würde ich sagen, »Benedikt und ich heiraten in Kürze.« Soll
sie nur kommen.
Eine Minute vor drei schlich
ich die Treppe hinunter, schob leise die Bodenvase hinter die Treppe und
schlich zurück. Jetzt konnte sie kommen.
68. Kapitel
Sie hatte den Nerv, anderthalb
Stunden zu spät zu kommen! Entnervt starrte ich vom Badezimmerfenster auf die
Straße, als endlich ihr Wagen vorfuhr, hörte ich im gleichen Moment Nora zur
Tür rennen. Natürlich hatte sie die Straße vom Küchenfenster aus überwacht.
Ich hörte Nora vor der Haustür:
»Wie schön, Fräulein Faber, Sie bei uns begrüßen zu dürfen, mein Sohn hat mir
schon soviel von Ihnen erzählt, und nur Gutes!«
»Mein Daddy hat mich
aufgehalten«, hörte ich Angela, »wir hatten eine Besprechung, ganz dringend...«
Gemessenen Schritts ging ich hinunter
— neben der Wohnzimmertür, neben dem Hocker mit meinem Blumenstrauß, stand
wieder Noras Bodenvase. Mich packte die Empörung: Das war zuviel für Angela!
Sie standen noch an der Tür.
»Ich kenne das Problem von Benedikt!
Sie wissen ja selbst, wie oft der Junge Überstunden macht!«
Ein Strauß war mehr als genug
für Angela. Sie würde hier nicht blumengesäumt Einzug halten. Dann würde eben
mein Strauß verschwinden, ich riß ihn aus der Vase... und da sahen sie mich...
»Hallo, Angela, auch schon da?« sagte ich so lässig wie möglich.
»Ooooh, Hallöchen«, machte
Angela neckisch, »Blumen zur Begrüßung, das wäre aber nicht nötig gewesen.«
Ich kam mir unendlich blöde
vor, wie ein kleines Kind, das der großen Respektsperson einen Blumenstrauß
überreichen muß. Fast hätte ich einen Knicks gemacht. Aber als ich sah, wie
Angela angezogen war, kam ich wieder zur Besinnung. Sie trug einen
Stretch-Overall in Schimmelgrün, seitlich am Busen hatte er beige Streifen, die
schlanker machen sollten, es aber nicht taten. Der Overall hatte überall
wulstige Nähte, die dekorativ sein sollten, aber nur wulstig waren. Das
schlimmste war der dicke weiße Reißverschluß, der sich über dem Bauch wölbte
und bis zwischen die Beine reichte. Und dazu diese rotblonde Zöpfchen-Frisur.
Sie sah aus wie eine Käthe-Kruse-Puppe, die ein grausames Kind in einen
Barbie-Puppen-Dreß gezwängt hat.
Und sie war mit
Barbie-Puppen-Schmuck behängt: drei Halsketten übereinander, pro Finger
mindestens einen Ring. Angelas Anblick war eine
Weitere Kostenlose Bücher