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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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nicht Benedikts
letzte Worte gewesen.
     
     
     

70. Kapitel
     
    Als ich am Sonntag morgen
aufwachte, läutete eine Hochzeitskirchenglocke. Ich verstand nicht mehr, warum
ich im Hotel Harmonie war, alles war zu überstürzt. Aber Benedikts Autotelefon
war besetzt, und immer, wenn es nicht besetzt war, war er nicht da, zum
Verzweifeln.
    Es klopfte an meine Tür. Es war
nur Rufus. Mein Vater hätte angerufen, er war selbst auf die Idee gekommen, daß
ich im Hotel sein könnte. Mein Vater sei sehr nett und erleichtert gewesen, und
ich solle meinen Vater anrufen, sobald es mir besser geht. Und Rufus meinte,
ich müsse etwas essen, er hätte einen sehr leckeren Sauerbraten
mikrowellenbereit.
    Mich interessierte nur eines: »Triffst
du heute Tanja?«
    »Nein.«
    »Aber du kannst sie anrufen.«
Ich hatte nämlich die Idee: Tanja sollte ihren Ex-Freund Detlef anrufen, er als
Benedikts Kollege würde wissen, ob alles nur Lüge war, was Angela von sich gab.
»Aber Benedikt hat es dir selbst bestätigt«, sagte Rufus. Außerdem sei Tanja
wahrscheinlich nicht zu Hause, sie wollte heute Spazierengehen mit ihrem
Juwelier.
    Tanja war aber zu Hause, hatte
allerdings keine Lust, jetzt Detlef anzurufen, sie wollte Spazierengehen mit
ihrem Juwelier. Aber sie erklärte sich bereit, Detlef anzurufen, ja, heute,
aber später. Ich wartete in der Hotelhalle, in Herrn Hedderichs Verschlag,
starrte auf den Fernseher, das war besser, als in Zimmer 11 aufs Telefon zu
starren.
    Endlich, erst nach der
Tagesschau, rief Tanja an: »Detlef hat gesagt, ihn würde es nicht wundern, wenn
Benedikt Angela geschwängert hätte.«
    »Hat er das wirklich so gesagt?
Das glaube ich nicht.«
    »Sinngemäß hat er das gesagt.«
    »Aber er muß doch eine
Erklärung dafür haben, das kann er nicht einfach so behaupten.«
    »Eine Erklärung«, Tanja
zögerte, »Detlef meint, es sei denkbar, daß Benedikt, gewissen Zwängen
unterliegend, der Tochter des Chefs zu Willen sein mußte.«
    Eindeutig, daß sich Tanja das
zurechtgedacht hatte. »Sag mir bitte, was er wirklich gesagt hat!«
    »Ich hab’s vergessen!« schrie
Tanja. »Benedikt hat dich verlassen, weil er jetzt die Tochter vom Chef am
Wickel hat. Egal warum! Es genügt, daß es wahr ist!«
    »Wenn du vergessen hast, was Detlef
wirklich gesagt hat, dann gib mir bitte seine Telefonnummer.«
    Tanja knallte den Hörer auf.
    Und Rufus sagte wieder,
Benedikt hätte es doch selbst gesagt. Und ich solle meinen Vater anrufen. Nein,
Rufus hatte selbst gesagt, ich soll meinen Vater erst anrufen, wenn es mir
besser geht, jetzt ging es mir schlechter. Ich rannte in mein Zimmer 11. Nachts
um halb eins hielt ich es nicht mehr aus, Tanja mußte sich daran erinnern, was
Detlef wirklich gesagt hatte. Ich mußte es ewig klingeln lassen, bis sie ans
Telefon ging.
    »Okay«, sagte sie verschlafen,
»jetzt fällt mir wieder wortwörtlich ein, was Detlef gesagt hat«, und irgendwie
drohend fragte sie, »möchtest du es mitschreiben?«
    »Mitschreiben? Nein, ich wollte
es nur genau wissen, möglicherweise...«
    »Er hat gesagt: Natürlich hat
der Windrich die Tochter vom Chef gehobelt, das ist das einzige, was dieses
Windei kann. Der muß Karriere übers Bett machen. Und wer einmal die Tochter vom
Chef gehobelt hat, muß immer wieder drüber!« Tanja knallte den Hörer auf.
     
     
     

71. Kapitel
     
    Es gibt keinen idealeren Ort
als ein Hotel, um Selbstmord zu begehen. Wenn nichts mehr zu ändern ist, gibt
es nichts Idealeres, als Selbstmord zu begehen.
    Oder Angela müßte sterben.
Letzte Woche hatte ich in einer Illustrierten diese merkwürdige Frage gelesen:
»Wenn Sie die Möglichkeit hätten, einen Menschen umzubringen, ohne daß Sie
jemals als Täter entdeckt würden, würden Sie es dann tun?« Letzte Woche hatte
ich spontan gedacht: Nein. Jetzt war ich klüger: JA. JA. JA. ANGELA.
    Würde ich jemals vergessen
können, daß Benedikt einst bereit gewesen war, mich wegen Angela zu verlassen?
Er kann doch nichts dafür. Er hat mich nicht wegen Angela verlassen wollen, nur
wegen des Kindes. Das ist Höhere Gewalt.
    Angela hatte
Schwangerschaftslotto gespielt. Und gewonnen. Benedikt hatte verloren. Oder?
Nora würde behaupten, Angela sei die bessere Partie. Was wäre denn gewesen,
wenn ich auch von Benedikt schwanger wäre? In diesem Moment fiel mir ein: Ich
hatte einen Lottoschein gehabt mit sechs Richtigen und hatte vergessen, ihn
abzugeben...
     
    Wer nicht geliebt wird, ist
bedeutungslos. Ich war bedeutungslos geworden.

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