Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
fliehen sehen, für unzulässig erklären zu lassen. Ich hatte Butcher bereits vorgewarnt, dass etwas Derartiges geschehen könnte - vermutlich hätte ich anstelle des Anklägers dasselbe getan -, und ich hatte der Anhörung am Donnerstag zugestimmt. Bisher hatte ich den schriftlichen Antrag der Staatsanwaltschaft noch nicht vorliegen, aber Lester Mapp hatte mir zugesichert, er sei bereits zu mir unterwegs. Gestern hatte er mir versprochen, ihn heute abzuschicken, und ich erinnerte mich an seine beunruhigende Bemerkung: Ihr Hauptzeuge ist keineswegs so ein toller Bursche, wie Sie vielleicht glauben.
    Ich ging auf die Website des Bezirksgerichts, um den Vermerk über den Antrag aufzurufen. Da stand es: »Antrag - Staatsanwaltschaft«, gefolgt von, »Anhörung - 18/10/08, 9.30 Uhr.«
    »Das ist ein alles entscheidender Moment«, sagte Smith gerade. »Mr Sanders ist ausschlaggebend für den Fall. Die Jury muss erfahren, dass Mr Butcher ihn als den Schwarzen identifiziert hat, der vom Tatort geflohen ist. Vermasseln Sie das nicht, Jason.«
    Ihr Hauptzeuge ist keineswegs so ein toller Bursche, wie Sie vielleicht glauben. »Wir werden den Antrag niederschlagen«, prophezeite ich, in der Hoffnung, dass es sich nicht um berühmte letzte Worte handelte. »Aber eins noch, Smith, wenn Sie wollen, dass ich den Antrag niederschlage, dann werden Sie mir doch keine Typen wie Nino und Johnny mehr vorbeischicken, oder?«

    Er antwortete nicht.
    »Wie geht es den beiden übrigens?«, erkundigte ich mich. »Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, hatten sie gerade ziemlich Prügel kassiert.«
    »Genießen Sie es, Kolarich. Lachen Sie herzlich darüber. Denn Ihr Bruder tut es ganz sicher nicht.«
    Dann war die Leitung tot.
     
    Nach der Unterhaltung mit Smith rief ich das Restaurant an, in dem Kenny Sanders arbeitete. Beim ersten Mal wurde versehentlich gleich wieder aufgelegt. Als ich es erneut versuchte, klappte es besser.
    »Hier ist Jason Kolarich, Mr Sanders. Der Anwalt.«
    »Ja, okay.«
    »Sie müssen diesen Donnerstag vor Gericht erscheinen«, sagte ich. »Die Anklage will verhindern, dass die Aussage zugelassen wird.«
    »Die wollen das verhindern, klar. Alles klar.«
    »Haben Sie schon eine Vorladung erhalten?«
    »Hab noch nichts gekriegt. Nein, Sir. Hatte keine Ahnung.«
    »Also, Sie kriegen eine Vorladung, vermutlich heute noch. Und Sie müssen dort erscheinen. Schaffen Sie das?« Ich teilte ihm Zeit und Ort mit.
    »Und was wollen die von mir?«, fragte er.
    »Vermutlich gar nichts, außer dass Sie anwesend sind. Aber um jedes Risiko zu vermeiden, gehen wir Ihre Aussage vor der Anhörung nochmal durch.«
    Ich verabredete mit Sanders ein weiteres Gespräch.
    Marie kam mit einer Kopie von Lester Mapps Antrag herein sowie mit einer schriftlichen Bestätigung, dass eine Vorladung an Butcher rausgegangen war. Allerdings war keine Vorladung
an Kenny Sanders verschickt worden. Das war interessant. Der Staatsanwalt wollte also nicht Sanders befragen, sondern ausschließlich Butcher.
    Der Antrag auf Ausschluss von Butchers Aussage war eher knapp gefasst, aber angeheftet fand ich das Vorstrafenregister Tommy Butchers. Butcher hatte allem Anschein nach keine ganz blütenreine Weste. So hatte er ein strafmilderndes Schuldbekenntnis abgelegt, 1982 bei einem Bauauftrag ein betrügerisches Angebot abgegeben zu haben, und hatte dafür fünf Monate in einem Bundesgefängnis abgesessen. 1990 hatte er dann gestanden, in einem Fall von Steuerhinterziehung gegenüber Bundesbehörden falsch ausgesagt zu haben, wofür er ein Jahr und einen Tag kassiert hatte.
    Es waren nicht nur Verbrechen, sondern es waren Verbrechen der Unehrlichkeit. Eine gute alte Körperverletzung wäre mir bei weitem lieber gewesen. Butcher hatte zweimal zugegeben, unter Eid die Unwahrheit gesagt zu haben.
    Mr Butchers Vorstrafen wegen Meineids, in Verbindung mit seiner verdächtig späten Identifikation eines Mannes annähernd ein Jahr nach der Tat, lassen das übliche Abwägen von möglicher Besserung versus Vorurteil nicht angebracht erscheinen, vielmehr ist hinreichender Zweifel an der Verlässlichkeit von Mr Butchers Aussage geboten. Lester Mapp trug ziemlich dick auf, aber das musste er auch.
    Er wollte Richterin Poker von Butchers Unglaubwürdigkeit überzeugen, so dass die Jury sie gar nicht erst hören würde. Schon die ganze Zeit hatte mir der Umstand im Magen gelegen, dass Butcher sich erst ein Jahr nach der Tat gemeldet hatte; und jetzt verlangten wir auch

Weitere Kostenlose Bücher