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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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zelebrierte.
    Ich spielte erst die klassischen zwölftaktigen Blues-Tunes zum Anwärmen. Das ungewohnte farbige Publikum, die Jazz-Atmosphäre, von der ich in Europa immer nur geträumt hatte, inspirierte mich wie niemals ein Publikum zuvor. Anfeuernde Zwischenrufe. »That Lucky Old Sun«, ein alter Gospelsong, den ich speziell für mich bearbeitet habe. Das seltene, berauschende Glücksgefühl zu spüren, daß mir in diesen Augenblicken alles gelingen wird, was auch immer ich an diesem Klavier und mit meiner Stimme versuche. Momente höchster Konzentration und purer Gegenwart. Sah die Menschen um mich herum wie durch einen Schleier, den nur einzelne Blicke für Sekunden durchdrangen.
    Immer wieder die lebendigen Augen eines jungen, dunkelhäutigen
Mädchens, Verstehen ohne Worte. Offenheit, die die Musik erweckt. Gleichklang des Gefühls. Strahlendes Lächeln. Wie selbstverständlich ging ich, getragen vom Applaus und dem Geschenk des Augenblicks auf sie zu. Allgemeiner Jubel, als wir uns, ohne ein Wort zu sprechen, einfach in den Armen lagen. Hätte ich mich diesem unbändigen Moment verschließen sollen?
    »I would love to see you again.«
    »Of course.«
    Schon am nächsten Nachmittag sahen wir uns wieder, trafen uns in einem kleinen Coffee Shop. Gespräche voll Leichtigkeit, Augenblicke der Nähe, die wahrscheinlich schon zuviel versprachen.
    Später schlenderten wir Hand in Hand durch die Stadt. Die feindseligen Blicke für einen weißen Mann mit einer farbigen Frau an seiner Seite machten ihr zu meinem Erstaunen nichts aus. Aber es war das Letzte, was ich hier erwartet hatte: ausgerechnet im freien Amerika. Waren es nicht die amerikanischen und kanadischen Soldaten, Schwarz und Weiß, Seite an Seite in ihren Armeen, die uns Kindern vor noch nicht einmal dreizehn Jahren im gerade besiegten Hitler-Deutschland zum ersten Mal so etwas wie Toleranz und Gleichberechtigung nahebrachten, Werte, die wir bis dahin nicht einmal kennen durften? Und nun dies: eiskalte Rassentrennung, Trinkbrunnen zweierlei Klassen: »White« und »Colored«, Toiletten für dreierlei Menschen: »Ladies«, »Gentlemen« und »Colored«, und das alles galt als völlig normal.
    Ich wollte da nicht mitmachen, trank demonstrativ immer nur bei den Trinkbrunnen für »Colored« und ließ Adriannes Hand auch bei den mißbilligendsten Blicken von Passanten nicht los.
    »Man muß doch wenigstens kleine Zeichen setzen«, widersprach ich ihr heftig, als sie mich bat, mich wenigstens nach außen hin an die gewohnte Ordnung zu halten. »Ich verstehe das einfach nicht: Wie könnt ihr diesen Irrsinn normal finden? Bei uns würde es niemand für möglich halten, was wir hier gesehen haben: eigene Viertel für die Schwarzen, für die Juden, für die Weißen, für die Hispanos. Das ist ein Weltbild, das ich nach 1945 für überwunden hielt. Das könnt ihr doch nicht einfach so hinnehmen!« wetterte ich mit dem puren Entsetzen des jugendlichen Weltverbesserers.
    »Der Unterschied ist der, daß es hier keine Gesetze für Ausgrenzung und Diskriminierung gibt«, versuchte Adrianne zu erklären,
»Die Juden scheinen sich eben unter Juden am wohlsten zu fühlen und wir Schwarze unter Schwarzen. Es ist ein freies Land.«
    »Immer wieder dieser stereotype Satz. Was bedeutet das schon, wenn einem Schwarzen zwar nicht gesetzlich verboten wird, in einem weißen Viertel zu wohnen, er dort aber einfach keine Wohnung vermietet bekommt?«
    Endlose Diskussionen, die von Anfang an zwischen uns standen, uns gleichzeitig aber auch enger aneinanderbanden. Die Tatsache, daß sie eine Farbige war, faszinierte mich, und das Gefühl, sie vor einer ungerechten Welt beschützen zu müssen, brachte mich ihr noch näher. Der ewige Ritter, der romantisch auf verlorenem Posten kämpft und seine Ohnmacht, die Welt zu verändern, für persönliches Versagen hält.
    Ein aus dem Auto nachgerufenes »Nigger-Fucker« mußten wir uns in diesen Tagen einige Male anhören. Adrianne blieb in solchen Momenten ganz ruhig und begann, scheinbar unbeeindruckt, mit mir über ganz andere Dinge zu sprechen. Sie hatte mit ihrer Gelassenheit sicherlich recht, auch wenn ich mein Aufbegehren nie ganz zum Schweigen bringen konnte.
    Gemeinsame Tage, die mich verwirrten, enttäuschten und begeisterten: unbeschwert, wenn wir unter uns waren, in Jazz-Kneipen oder Musik-Cafés, dort, wo nicht zählt, woher jemand kommt, sondern nur, wer jemand ist. Und bedrückend überall dort, wo ich Amerika von seiner

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