Der Marathon-Killer: Thriller
Shah-Rukh-Khan-Film«, sagte er, laut genug, damit die Menge ihn hören konnte. Marchants Kopf arbeitete auf vollen Touren. Während er an der Rezeption im Gymkhana Club auf Onkel K warten musste, hatte er in der Hindustan Times gelesen, dass der US-Präsident hoffte, bei seinem Aufenthalt den Set eines Bollywood-Films zu besuchen, doch seine Sicherheitsleute hatten sich dagegen ausgesprochen.
Shah Rukh Khan drehte einen Film am Roten Fort, eine Gemeinschaftsproduktion mit einer westlichen Filmgesellschaft. Der Star hatte eine persönliche Einladung an den Präsidenten ausgesprochen, ihn auf dem Set zu besuchen.
»Shah Rukh?«, fragte jemand aus der Menge aufgeregt.
»Sicher. Wir waren aber nur Komparsen«, fügte Marchant hinzu.
»Habt ihr ihn kennengelernt? Mein Gott, ihr habt ihn kennengelernt, ja?«, fragte jemand anderes. »Er kennt Shah Rukh!«
»Ich habe ihm nur Hallo gesagt«, fuhr Marchant fort und sah den Geschäftsmann an, der eindeutig kein Wort von dem glaubte, was er hörte. Die weniger gebildete Menge wechselte hingegen bereits die Seiten, ganz so, wie Marchant es sich erhofft hatte.
»Wie ist er denn so?«, rief eine Frau. »Hast du ihn singen hören?«
»Nein, gesungen hat er nicht. Die Musik mischen sie erst später dazu. Aber wir haben ihn tanzen sehen.«
»Mit Aishwarya? Hat sie auch getanzt?«
»Natürlich. Wir waren für eine große Kampfszene da und mussten dreckiges, verkommenes Pack aus dem Westen spielen, Menschen ohne Moral. Und ich entschuldige mich für unser Aussehen. Wir kommen direkt vom Set und hatten keine Zeit, uns umzuziehen. Je eher wir in den Zug steigen können, desto schneller können wir diese anstößige Kleidung ablegen.« Marchant wandte sich an die beiden Frauen. »Folgen Sie mir zum Zug, sobald die Leute Platz machen«, raunte er ihnen leise zu.
»Und wie willst du deine fantastische Geschichte beweisen?«, fragte der Geschäftsmann, während Marchant den Kopf senkte und sich zur Tür eines Waggons aufmachte. Die Menge wich auseinander, so wie er gehofft hatte, und beachtete den Geschäftsmann nicht, der vom Menschenstrom mitgerissen wurde. »Warum haben die Frauen vorher nichts davon gesagt?«
Marchant ließ die beiden zuerst in den Zug steigen, folgte ihnen, drehte sich um und winkte den Menschen zu.
»Du hältst hier keinen zum Narren«, beharrte der Geschäftsmann und drängte sich an den Rand des Bahnsteigs. Marchant war klar, er musste diese öffentliche Szene, in die er sich eingemischt hatte, baldmöglichst beenden. In Kürze würde die Polizei eintreffen, Fragen stellen und Aussagen aufnehmen. Bis jetzt hatte er Gewalt vermieden, weil er die Situation entschärfen wollte, statt sie weiter anzuheizen. Doch der Geschäftsmann legte eine beunruhigende Hartnäckigkeit an den Tag.
»Drogen benebeln nur dich selbst, mein Freund«, sagte der Geschäftsmann. »Aber mich nicht.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Marchant, beugte sich zu ihm vor und brachte seinen Mund dicht an sein Ohr. »Aber ich weiß auch noch etwas anderes: Wenn du uns weiter verfolgst oder mit der Polizei sprichst oder uns irgendwem beschreibst, werde ich dir persönlich das Genick brechen, genauso wie es Shah Rukh in dem Film macht.«
33
In einem anderen Leben und zu einem anderen Zeitpunkt wären Marcus Fielding und William Straker vielleicht so etwas wie Freunde geworden. Weltweit hatten die Mitglieder der amerikanischen Geheimdienste gejubelt, als Straker zum Direktor der CIA ernannt worden war. Er war ein echter Spion, ein
Mann, für den Informanten das A und O waren, und bevor er Direktor geworden war, hatte er den Clandestine Service geführt. Seine Ernennung hatte den Schlag abgemildert, der die CIA getroffen hatte, als er plötzlich einer übergeordneten Autorität Rechenschaft ablegen musste, dem Director of National Intelligence. Aber einem DNI unterstellt zu sein, passte Straker gut in den Kram. Das hielt einen Teil der unerwünschten Publicity fern.
Nicht viele Geheimagenten schafften es an die Spitze einer bürokratischen Organisation wie der CIA. Straker war als Spion mit Leib und Seele genau der Richtige, als man im Kongress die Existenz der Agency infrage stellte. Da er bei den Marines gewesen war, kam er auch bei den Militärs gut an. Nur in London war er nicht sehr beliebt. Er selbst hatte den Hieb gegen Stephen Marchant geführt, und weil Fielding seinem Amtsvorgänger weiterhin treu ergeben war, konnte sich aus der Beziehung zwischen den beiden Geheimdienstchefs
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