Der Minus-Mann
bin viel schöner als sie«, sagt sie. Möglich, aber dich kenne ich und dieses Kind … grüne, weite Augen, ein See, zwischen Bäumen und Gras …
Das Zigarettenmädchen stört meine Versunkenheit. »Gitanes, ja, ohne Filter«, sage ich und bezahle.
Der Glatzköpfige kaut wie eine Kuh. Malmend und gleichmäßig.
»Eine halbe Flasche habe ich dir erlaubt«, sage ich. Mehr verträgt sie nicht.
»Ich besaufe mich und mache dir eine Szene. Mir ist es egal, wenn du mich schlägst«, sagt sie. Auf ihren Wangen sind Flecken. »Ich liebe dich … dich, Lockenmädchen, auch wenn du dumm bist, eine kleine, aggressive, dumme Dirne«, sage ich. Ich streichle ihre verkrampfte Hand.
»Ich will mit dir ins Bett«, sagt sie. Blanke Augen im weichen Licht.
»Später, später, jetzt muß ich dir einen Standplatz besorgen«, sage ich.
»Und ich?« sagt sie.
»Du setzt dich ins Auto und versuchst es mal so, hinter dem Regina-Hotel. Diesen Kreis siehst du dir genau an. Fahr nicht zu langsam«, sage ich und verlange die Rechnung.
Ich sitze in der Imperial-Bar, betrachte mir die Typen. Langbeinige Superminis streunen auf der Bayerstraße gegenüber. Ein Klotz in einer blauen Lederjacke lümmelt neben mir an der Bar. Unsere Hände stoßen beim Griff nach dem Aschenbecher zusammen.
»Paß mal auf, wo du hinlangst«, sagt er kernig. Er wartet.
»Hast du zuwenig Platz?« frage ich freundlich.
»Von wo bist denn du?« sagt er. Schwerfällig zieht er dicke Brauen hoch.
»Aus Wien«, sage ich. Der Keeper lächelt.
»Bist du schon länger da?« sagt die Lederjacke.
»Seit heute«, sage ich. Ich zünde mir eine Zigarette an, dann bezahle ich meinen Wodka.
»Wo gehst du hin?« fragt er.
»Ich suche einen Platz für meinen Hasen«, sage ich über die Schulter, »oder weißt du einen?« Er schweigt. Schaut zum Keeper. Der zuckt die Achseln. Ich gehe.
Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder plaziere ich Cha-cha auf einen guten Platz und warte, was geschieht – oder ich versuche mit den Zuhältern Kontakt zu bekommen und handle einen Platz für sie aus. Letzteres ist besser – es gibt dann keine Schwierigkeiten, und ich habe genug Zeit für mich selbst. Ersteres ist für Idioten und Lebensmüde, letztlich mache ich ersteres. Vorläufig aber gehe ich ins Nachtlicht hinter dem Starnberger Bahnhof. Zwei Wodka, und der Mensch hinter der Bar hält mir einen Vortrag über das Münchner Nachtleben und daß Österreicher so ziemlich das Letzte sind, was man hier am Strich akzeptiert.
»Den letzten, der es versucht hat, den haben sie halbtot geprügelt«, sagt er eifrig. Na, wenigstens nicht ganz. Ich schaue auf ein rauchschwarzes Lebkuchenherz schräg hinter der Bar – ›Ich öffne dir mein Fensterlein, ach komm doch bald und steig herein‹, die Zuckerschrift ist leicht gelblich. Der Wodka klopft schüchtern in meinen Schläfen. Ich gehe in die Goethestraße. An der Ecke Beine, Silberfuchs, dazwischen eine sorgfältig gemalte Nuttenschnauze.
»Na, willste mal?« gurrt sie.
»Ja, aber nur, wenn du einen Handstand dabei machst. Mir steht er nicht, aber da kann ich ihn reinhängen«, sage ich und, »später, Kleines, jetzt habe ich ein Rendezvous.« Eine schweigsame Nutte. Kein Wort, sie sieht mir nach.
In der zweiten Bar, einer blaurot getönten Schrumpfbude, komme ich mit zwei Loddin ins Gespräch.
»Hinstellen, eine Wienerin«, sagt der Schwarzhaarige, Leichenfarbige, »nee, Junge, hier im Zentrum nicht.« Der andere, rundgesichtig, Narbe am Jochbein, nickt in sein Glas.
»Warum nicht?« frage ich.
»Zu überlaufen«, sagt die Leiche. Wir reden hin und her. Die beiden scheinen mir nicht mehr kompetent. Ich gehe. Der Wodka dämpft die Lichterflut vor meinen Augen.
Cha-cha sitzt im Nachtlicht. Drei trübe Figuren schwirren um sie, Fleischmotten. Ich ziehe unfreundliche Falten ins Gesicht. Dann sehe ich drei Rücken.
»Wieviel?« frage ich.
»Magst du nicht raten?« sagt sie.
»Nein«, sage ich düster.
»Vierhundert«, sagt sie.
»Ich habe das Auto stehen lassen. Sie kamen, einer nach dem anderen, lauter angenehme Typen.« Sie scheint froh und ruhig.
Im Bett rast sie, als hätte sie Pfeffer am Kitzler. Ich halte den Kopf unter die Brause. Der Wodka versickert.
Rosiges, glattes, schimmerndes Hurenmädchen, heißhäutig, müde wühlt sie sich unter meinen Arm.
»Du, du … ich liebe dich so … Cha-cha, festhal …«, murmelt sie und schläft. Aufdringlich klopft der Regen gegen die Scheiben. Das Land ist versunken in grauem
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