Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
Vom Netzwerk:
Palastes zu errichten, durch die die Sonne am Morgen des Mittsommertages nacheinander scheinen würde. Er beschrieb die gläsernen Vogelhäuser auf dem Schild, wohin die buntesten Vögel der ganzen Welt gebracht wurden, um dort zu brüten und zu gedeihen, damit sie anschließend freigelassen und über die Dächer der Häuser fliegen sollten. Dann erfüllten sie an feierlichen Tagen zu Ehren der Götter den Himmel mit ihren Farben. Er beschrieb Käfige, die man vor den Mauern der Stadt hochzog, metallene Gefängnisse, in denen die abscheulichsten Kriminellen gehalten wurden, Frauen und Männer. Etliche der Insassen waren bereits nach der Folter halb tot, andere dagegen waren noch gesund und wehrten sich. Sie alle jedoch würden einen langsamen und grauenvollen Tod sterben, durch Schock oder Verdursten, zur Erquickung der Schaulustigen.
    Außerdem beschrieb er mit der peniblen Detailverliebtheit eines alten Mannes, der die Aufmerksamkeitsspanne seiner Leser nicht mehr einzuschätzen vermag, einen Ausflug in die Abwasserkanäle unter dem Palast, zum Dunklen Wasser. Diesen Namen gab er dem großen Fluss Menander, wo er unter die Cité bis zum Wehr des Magisteriums strömte. Diese Konstruktion sollte größere Objekte zerbrechen und pulverisieren, die in die oberen Kanäle getrieben waren, bevor sie möglicherweise weiter unten in den engeren Kanälen Schäden anrichten konnten. Bartellus war überzeugt, dass dieses Wehr des Magisteriums nicht das Gierwehr war, denn es hatte nur sechzehn » rotierende Maschinen«, wie Creed die Walzen beschrieb. Bartellus war jedoch sicher, dass das Gierwehr mindestens zwanzig Walzen aufwies, vielmehr neunzehn, als er das letzte Mal dort gewesen war. Aber der Mechanismus schien identisch zu sein, und Creed hatte sich einer Gruppe von Ingenieuren angeschlossen, die hinab zu dem Wehr gingen, um es zu überprüfen und nötigenfalls zu reparieren. Dafür hatten sie einen Mittsommertag ausgesucht, an dem das Wasser niedrig stand und die Gefahr minimal war. Der Autor schrieb von dem langen Marsch durch endlose, stinkende Tunnel, beschrieb die geisterhaften Bewohner, die in der Dunkelheit verschwanden, wenn sich ihnen jemand näherte, und erwähnte einen merkwürdigen Vorfall.
    Nachdem die Arbeit an dem Wehr, die Creed bis ins erschöpfendste Detail beschrieb, beendet war, machte sich die Gruppe wieder auf den Rückweg zum Licht. Und das keinen Moment zu früh, wie der alte Mann schrieb.
    Jämmerlich trottete ich einher, mein Gemüt umhüllt von Dunkelheit, meine Stiefel von Kot verkrustet. Ich hatte das Gefühl, dass ich niemals wieder von diesem traurigen Ort befreit werden würde, obwohl ich nicht einmal einen halben Tag in seinen Tiefen zugebracht hatte. Meine jungen Gefährten lachten, schrien und scherzten, aber der Lärm ihrer verzweifelten Freude hallte hohl von den tropfenden Wänden wider. Unser Weg zurück war schmerzhaft länger als der Hinweg. Der Grund war, so informierte man mich, ein unvorhergesehener Regen in der fernen Außenwelt, der den ursprünglichen Weg unpassierbar machte. Ich muss zugeben, dass mir das Entsetzen über diese Nachricht schwer im Magen lag. Ich kann mir keinen schrecklicheren Ort vorstellen, an dem man sich verirren könnte, als in den Eingeweiden dieser entsetzlichen endlosen Tunnel.
    Ich armer alter Mann fand mich also rasch am Ende einer Gruppe von kräftigen Jünglingen wieder, meinen Gefährten. Zu stolz und zu dumm, ihnen zuzurufen, auf mich zu warten, folgte ich ihnen und fiel dabei immer weiter und weiter zurück. Das Licht ihrer Fackeln wurde schwächer, und erst jetzt ignorierte ich meinen Stolz und lief ihnen hinterher. Aber es war bereits zu spät, und sie konnten mich nicht mehr hören.
    Als ich gerade fürchtete, mich in der Dunkelheit verirrt zu haben und meine Beine vor Entsetzen und Müdigkeit schwach wurden, flackerte das willkommene Licht einer Fackel am anderen Ende des Kanals, dem ich gerade folgte. Ich nahm erleichtert Kurs darauf, weil ich dachte, einer meiner Gefährten wäre zurückgekehrt, um mich zu holen, und aus irgendeinem Grund auf der anderen Seite des Kanals aufgetaucht. Ich war sprachlos vor Staunen, als ich sah, dass es sich um eine Frau handelte, die die Fackel hoch in die Luft hielt und mich mit gelassenem Interesse betrachtete.
    Bartellus rutschte auf seinem harten Stuhl hin und her und beugte sich vor, während er eindringlich auf die Seite blickte.
    Sie hob die Fackel noch höher und ich sah, dass sie eine lange,

Weitere Kostenlose Bücher