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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Sie ließ die Tür zum Umkleideraum offen stehen, um etwas mehr Licht zu haben. Im Dojon selbst machte sie nicht die Deckenbeleuchtung an, sondern ging nur in die Mitte und setzte sich auf die Matte. Sie saß auf den Hacken, die Hände locker auf den Schenkel ruhend, den Blick geradeaus gerichtet. Als sie spürte, dass mokuso näher kam, schloss sie die Augen und blickte nach innen. Da war es leer und dunkel. Die Stimmen flüsterten, aber sie hörte nicht mehr so genau, was sie sagten. Sie näherte sich dem Punkt, als Bruces ruhige Stimme mit seinem amerikanischen Akzent durch das Zischen der Dämonen zu vernehmen war. Seine Stimme floss in sie hinein und sie hörte, wie er aufmunternd sagte: »Okay, Baby. Dein phantastisches kata, als du den schwarzen Gürtel gemacht hast, dritter dan.« Sie spürte Trauer und die Sehnsucht nach ihm und war überrascht, wie stark diese Gefühle waren. Das, von dem sie schon lange geglaubt hatte, es überwunden zu haben, war immer noch da. Mokuso wurde tiefer, und sie suchte weiter nach dem Punkt. Der Geist nahm Kontakt auf und plötzlich fühlte sie, wie sie von einer sprudelnden, warmen Kraft erfüllt wurde. Sie wurde gewichtslos und von der Kraft zum Licht emporgetragen. Die Kraft durchspülte ihre schmerzenden Muskeln und Glieder, wusch ihre Müdigkeit und ihre Schmerzen fort.
    Wie in Trance stand sie auf, immer noch mit geschlossenen Augen. Anfangs bewegte sie sich langsam, aber je mehr sie der Rhythmus des katans einnahm, umso schneller und kräftiger wurden ihre Bewegungen. Sie öffnete die Augen und sah uke – eine fast durchsichtige Nebelgestalt mit langem Haar, das auf den Rücken der Lederjacke fiel, mit einem höhnischen Grinsen um die Lippen.
    Für einen Außenstehenden sah es wie ein Ballett mit einer unbegreiflichen, anspruchsvollen Choreografie aus. Ein eingeweihter Zuschauer jedoch würde eine wahre Jiu-Jitsu-Meisterin erkennen, die in rasender Geschwindigkeit den Sandankata durchmaß, Kombinationen mit uke, tski und geri-waza. Ein Eingeweihter würde sich wohl auch wundern, warum sie keinen Gegner hatte. Aber sie hatte einen Gegner. Wütend schlug sie gegen uke. Anfangs klang sein Lachen noch höhnisch, aber sie hatte die Kraft und wurde von der Nähe zum Licht erfüllt. Erschöpft sank sie zurück auf die Matte. Der Schweiß lief ihr den ganzen Körper hinunter. Sie spürte den Salzgeschmack im Mund und wie es zwischen den Brüsten und Pobacken rieselte. Der Brustkorb hob und senkte sich und sie spürte ein schwaches Unwohlsein von ihrer angeknacksten Rippe. Aber die Kraft und das Licht flossen durch ihren Körper, und dadurch war der Schmerz leicht zu ertragen.
    Langsam verebbte die Kraft in ihr und sie rollte herum und schaute zur Decke. Würde das schwarze Loch sich öffnen und die Stimmen wieder anfangen zu flüstern?
    Alles war still. Nur das Licht war noch da, pulsierte im Zwerchfell, und sie fühlte Stille und Frieden. Sie hatte es geschafft.
     
    Irene fand sie im Besprechungszimmer. Es war kurz nach acht, aber sie war nicht die Letzte. Jonny Blom wurde noch vermisst, würde aber jeden Moment auftauchen. Er hatte angerufen und mitgeteilt, dass er vor Åby einen Platten hatte. Kommissar Andersson ergriff das Wort: »Dann fangen wir ohne Jonny an. Schön, dass du wieder auf den Beinen bist, Irene. Eine Nacht Schlaf ist doch immer noch die beste Medizin!«
    »Ich fühle mich besser. Aber immer noch grün und blau geprügelt. Und gut geschlafen habe ich auch nicht gerade. Heute Nachmittag will ich zu Jimmy fahren und ihn besuchen und danach dann nach Hause«, erwiderte sie entschlossen.
    Andersson hob kaum merklich eine Augenbraue. Er kommentierte ihre Äußerung nicht, sondern fuhr fort: »Okay. Zunächst einmal möchte ich euch mitteilen, dass die Leiche des jungen Mannes gefunden wurde, der in der Berzeliigatan verbrannt ist. Er konnte mithilfe eines Kranwagens geborgen werden. Dann möchte das Rauschgiftdezernat morgen um dreizehn Uhr eine Besprechung mit uns machen. Offenbar laufen bei denen eine ganze Menge an Ermittlungen gleichzeitig, aber es scheint, als würden da einige Fäden bei diesem Hell’s-Angels-Dreck zusammenlaufen. Hans, du hast bei den Schlüsseln was erreicht.«
    Borg nickte und versuchte ohne großen Erfolg ein Gähnen zu unterdrücken, bevor er mit seinem Bericht ansetzte. Mit müder Stimme begann er: »Mister Minit bei Domus in der Avenyn hat Anfang August dieses Jahres einen kompletten neuen Satz Schlüssel für Richard von Knecht

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