Der Orksammler
Trollhänden vertrugen.
Tatsächlich erstickte die Asche einen Teil der Flammen. Jorge ergriff Agdemans verschmortes Handgelenk und zerrte ihn näher an den Aschehaufen heran. Er drückte ihn hinein, bis er von oben bis unten mit Asche bedeckt war.
Die Flammen erstarben.
Jorge zog den qualmenden Körper hervor, wischte ihm den Dreck aus dem Gesicht und näherte sein Ohr prüfend Agdemans Mund. Ganz leise konnte er den Beseitiger atmen hören.
»Blaak!«
Jorge, mittlerweile von Kopf bis Fuß grau wie Agdemans versengte Montur, fuhr sich durchs Haar, kontrollierte, ob es sich nicht versehentlich ebenfalls entzündet hatte. Seine Hände hatten zu zittern begonnen. »Du blödes Arschloch, Agdeman!«
Die dicke Vulvatte, die Agdeman mit seinem Zerstörer zu erlegen versucht hatte, tauchte dicht neben Jorge aus dem Aschehaufen auf und streckte ihm frech ihr rosafarbenes Gesicht entgegen, das fast vollständig zwischen wulstigen Hautlappen verschwand.
»Was willst du?«, rief Jorge. »Schau nur, was du angerichtet hast!«
Er kniete sich neben der Vulvatte hin. Das Tier machte keine Anstalten, das Weite zu suchen, schnupperte neugierig in der Luft.
Jorge streckte die Hand aus. Vorsichtig kletterte die Vulvatte auf seinen Arm. Sie war schwer und weich und fleischig, wie zehn Portionen Schnittwurst.
Jorge sagte: »Kannst du mir mal verklickern, was ich jetzt mit dem Kerl anstellen soll? Er ist schwer verletzt, und du bist daran schuld.« Er seufzte »Warum ist M.H. eigentlich nie da, wenn man ihn braucht?«
Darauf wusste die dicke Vulvatte keine Antwort.
16
»Dann sind wir jetzt also quasi Kollegen, Meister H.P Zumindest auf dem Papier? Bei Ubalthes, ist das aufregend !Wenn mir heute morgen jemand gesagt hätte, dass ich am Mittag mit einem der bedeutendsten thaumaturgischen Ermittler unseres Landes durch die Straßen von Torrlem wandern würde … ich hätte es nicht geglaubt! Sagen Sie, haben Sie eigentlich viele weibliche Kolleginnen beim IAIT, Meister H.? Gewiss haben Sie die, und gewiss sind alle hübsch und intelligent und …«
Hippolit schwirrte der Kopf, und das lag nicht allein an den zwei Gläsern Portwein, die er intus hatte. Irgendwie waren die Ereignisse während der vergangenen Stunde seiner Kontrolle entglitten, hatten sich selbstständig gemacht.
Natürlich war er erfreut gewesen über Meister Wylfgungs Angebot, Lith als Führerin für ihn abzustellen. Andererseits wäre ihm eine etwas striktere Trennung beruflicher und privater Interessen nicht unlieb gewesen. (Dass Letztere existierten, konnte er nicht länger leugnen – zu unübersehbar waren die Reaktionen seines jugendlichen Körpers.) Trotz des leichten Nebels in seinem Kopf ahnte er, dass die Gegenwart eines bildhübschen Mädchens seine kriminologische Deduktionsarbeit möglicherweise beeinträchtigen würde. Geschickter wäre es gewesen, das Archiv an der Seite von Meister Wylfgung höchstselbst zu besuchen, sich die benötigten Informationen über die Kanalisation Torrlems aushändigen zu lassen und erst später, außerhalb der Dienststunden, ein Treffen mit Lith zu vereinbaren.
Nun war es anders gekommen.
Seit ihrem Aufbruch vom Verwaltungsturm redete das Mädchen wie ein Wasserfall. Während Hippolit ihr über Straßen und Plätze, durch Gassen und Nebenstraßen in Richtung Stadtarchiv folgte, betete sie eine nicht enden wollende Flut mehr oder weniger belangloser Anekdoten herunter, über die Grabstadt, sich selbst, ihren Werdegang innerhalb der Stadtverwaltung und so fort. Darüber hinaus flocht sie immer wieder Fragen in ihren Redefluss, erkundigte sich mit großen Augen nach Details seiner Arbeit beim IAIT.
Dass Hippolit es nicht über sich brachte, das Mädchen zum Schweigen zu bringen, hatte vorrangig damit zu tun, dass das verbleibende Drittel ihres Wortschwalls aus überschwänglichen Begeisterungsbekundungen seine Person betreffend bestand. Lith schien die Beamten des Instituts für Helden von geradezu übermenschlichen Dimensionen zu halten, und als solcher konnte er seiner Bewunderin schlecht den Mund verbieten. Das entsprach nicht seinem Heldenstatus!
Nachdem Meister Wylfgung die Sekretärin instruiert hatte, ihren hochrangigen Besucher zum Stadtarchiv zu geleiten, war diese kurz in einem Nebenraum verschwunden. Als sie wieder zum Vorschein kam, hatte sie ihre Arbeitskleidung gegen einen dünnen hellgrauen Kapuzenüberwurf eingetauscht, der offenbar Schutz vor den hauchfeinen Aschepartikeln gewähren sollte,
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