Der Pakt
könnte ihn dazu bringen, sich zu fragen, warum Roosevelt und Churchill keinen Verhandlungsfrieden wollen.
Kann es sein, dass sie die Rote Armee gänzlich ausgelöscht sehen wollen, ehe sie sich nächstes Jahr selbst auf eine Invasion einlassen? Den Briten trauen die Russen sowieso nicht. Seit der Hess-Mission schon gar nicht.
Die Briefe an Roosevelt und Churchill könnten in ähnlicher Weise mit der brutalen Behandlung deutscher Kriegsgefangener durch die Russen operieren und natürlich auch mit der Ermordung der polnischen Offiziere bei Katyn. Außerdem könnte der Führer ein paar praktische Gesichtspunkte anführen, die in Roosevelts und Churchills Augen gegen eine Landung in Europa sprechen könnten.«
»Und die wären?«, fragte Himmler.
Ribbentrop schüttelte den Kopf, weil er nicht willens war, seine besten Karten vor dem Reichsführer aufzudecken, und weil er sich sagte, dass Himmler schließlich nicht der Einzige war, der Informationen zurückhalten konnte. »Ich möchte jetzt nicht in die Details gehen«, zog er sich aus der Affäre, inzwischen ziemlich überzeugt, dass Ciceros Informationen über die Konferenz der Großen Drei in Teheran der Beginn einer echten diplomatischen Initiative sein würde, vielleicht der wichtigsten überhaupt, seit er den Nichtangriffspakt mit Russland ausgehandelt hatte. Ribbentrop lächelte bei der Vorstellung, noch so einen diplomatischen Coup zu landen.
Diese Führerbriefe an die Großen Drei würde er natürlich selbst 45
schreiben. Er würde diesen Laffen Göring und Goebbels zeigen, dass er immer noch jemand war, mit dem man rechnen musste.
»Ja«, sagte Himmler, »vielleicht trage ich Hitler die Idee selbst vor, wenn ich in der Wolfsschanze bin.«
Ribbentrops Gesicht wurde lang und länger. »Ich dachte, ich könnte es Hitler selbst unterbreiten«, sagte er. »Schließlich ist es ja eher eine diplomatische Initiative als eine Sache des Innenministeriums.«
Der Reichsführer-SS überlegte kurz, erwog die Möglichkeit, dass Hitler die Idee missfiel. Jeder Verhandlungsfriede würde höchstwahrscheinlich die Übernahme der Regierungsgewalt in Deutschland durch jemand anderen voraussetzen, und wenn Himmler auch überzeugt war, dass es dafür keinen besseren Mann gab als ihn selbst, wollte er doch nicht, dass Hitler auf den Gedanken kam, er plane irgendeine Art Staatsstreich.
»Ja«, sagte er. »Da haben Sie wohl Recht. Sie sollten es dem Führer unterbreiten, Ribbentrop. Eine solche diplomatische Initiative sollte vom Außenministerium ausgehen.«
»Danke.«
»Keine Ursache, mein Lieber. Beides wird zum Zug kommen, Ihre diplomatische Initiative und meine Beketowka-Akte. Wir dürfen auf keinen Fall scheitern. Wenn wir es nicht schaffen, irgendeine Art Frieden zu schließen oder aber die Sowjetunion von ihren westlichen Verbündeten abzuspalten, dann, fürchte ich, ist Deutschland am Ende.«
Da die Rede, die Himmler am nächsten Tag in Posen halten sollte, gegen den Defätismus gerichtet war, ging Ribbentrop vorsichtig zu Werk.
»Sie sind sehr offen«, sagte er. »Darf ich also auch offen zu Ihnen sein, Himmler?«
»Natürlich.«
46
Ribbentrop konnte natürlich keinen Moment vergessen, dass er mit dem mächtigsten Mann des Reiches sprach. Himmler war jederzeit in der Lage, den Zug anzuhalten und Rippentrop neben den Gleisen standrechtlich erschießen lassen. Der Außenminister bezweifelte nicht, dass es dem Reichsführer im Nachhinein gelingen würde, eine solche Aktion dem Führer gegenüber zu rechtfertigen. Er wusste, wie geheim das Thema war, das er anschneiden wollte, und suchte nach Worten, die ihm erlauben würden, sich der Mittäterschaft, was den deutschen Ausrottungsfeldzug gegen die Juden betraf, auch weiterhin um eine Armeslänge zu entziehen.
Ende 1941 hatte er von Massenhinrichtungen von Juden durch Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD erfahren.
Seither hatte er sein Möglichstes getan, keinen der SD- und SS-Berichte zu lesen, die routinemäßig bei der Abteilung III des Außenministeriums eingingen. Inzwischen erschossen diese Sondereinsatzkommandos nicht mehr eigenhändig Tausende von Juden, sondern organisierten deren Deportation in spezielle Lager in Polen und der Ukraine. Ribbentrop wusste um den Zweck dieser Lager – schließlich hatte er Belzec einen geheimen Besuch abgestattet –, aber es war ihm eine höchst beunruhigende Vorstellung, dass die Alliierten ebenfalls darum wissen könnten.
»Kann es sein«, fragte er
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