Der Paladin
erschöpft gewesen, bis sie es gesagt und er reagiert hatte – auf eine Frau, die bis zur Nasenspitze in blutverkrusteten Bandagen und einer verschwitzten Rüstung steckte.
Er zog sie an sich, und es war, als umarmte er einen Stein. Und sagte, ihr übers staubige, wirre Haar und eine bandagierte Wange streichelnd: »Das bekommen wir nicht ab. Wir würden den Dreck nicht wieder draufbekommen.«
»Tun wir's einfach.«
»Angst?«
»Nein.« Kurz und bündig. Sie zitterte in seinen Armen. Heftig. Verdammt noch mal.
Diese Reaktion war ihm bekannt. Er hielt sie einen Moment lang fest. Dann führte er sie an der Hecke entlang, in den tieferen Schatten eines Maulbeerbaums und der alten Mauer. Er ließ sie los, und sie begannen Knoten zu lösen. »Alles kriegen wir nicht runter.«
»Das macht nichts«, sagte sie, und: »Verdammter Mist«, als ihr Armschutz und Panzer in den Weg kamen.
»Einfach eine Frage der Taktik. Geduld. Nur mit Geduld kommt man ans Ziel, das hat mein Meister immer gesagt...«
Sie verzichteten auf jede Art von Finesse. Es war kurz und schnell, und hinterher flatterte ihm der Puls, und das Flüstern der Blätter war ein dünnes, unwirkliches Geräusch vor dem Hintergrund von Taizus schwerem Atmen. Er spürte ihre Berührung an seiner Wange.
Falls ihnen keine Zeit mehr bliebe. Weil es den Körper wärmte, den Geist beschäftigte und alles auslöschte. Und sie war zu klug, um sich beschwichtigen zu lassen. Oder um ihn zu beschwichtigen. Sie war einfach da, und er hätte wieder denken können, wenn er nicht zu erschöpft gewesen wäre.
Er schloß die Augen. Er war wieder daheim. Die Blätter über ihm flüsterten wie der Regen auf dem Hüttendach. »Erinnerst du dich noch an den Winter?« flüsterte er ihr ins Ohr. »An den Affen und die Tochter?«
»Ich erinnere mich.« Vom Verband gedämpft, mit schlaftrunkener Stimme.
»Ich wünschte, ich könnte dir sagen, daß ich einen Plan habe. Ich habe keinen. Wir müssen uns erst noch einen zurechtlegen. Deswegen bist du mit von der Partie.«
Eine Zeitlang schwieg sie. Dann: »Wir können Ghita kriegen.«
Klipp und klar, auf einen einfachen Nenner gebracht. Neun Männer, deren Leben entbehrlich war – Hände und Rückgrate und Schwerter, wenn sie gebraucht wurden. Und sie beide – eine winzige Streitmacht, jedoch optimal ausgewogen.
Vorausgesetzt, sie kamen durchs Tor.
19
Das Tor von Lungan war das Nadelöhr, durch das sie hindurchmußten. Während des langandauernden Friedens hatten sich die Städte über ihre Stadttore hinaus ausgebreitet, wenn sie überhaupt welche besaßen; Lungan jedoch mit seiner Brücke war das Tor nach Pan'tei und Cheng'di, dem eigentlichen Zentrum des Reiches, und in seiner Rolle als oberster Bauherr hatte der alte Kaiser zu seines Vaters Zeiten angeordnet, die Tore zu erneuern und zu verstärken und die Mauern zu erhöhen, und er hatte den umfriedeten Markt bauen lassen, der im Bedarfsfall auch als Brückengarnison diente, außerdem das Pförtnerhaus an der Straße nach Anogi, falls diese einmal bewacht werden mußte.
Das wurde sie nun. Unübersehbar.
Sie wurden langsamer und wählten sich ihre Begleitung für den Durchgang durch das schmale Tor aus – einen Schweinehändler mit zwei verschnürten Tieren und einen herauskommenden Güllewagen, die sich am selben Punkt trafen, und Shoka lenkte sein Pferd um den Wagen herum, in der Hoffnung, auf diese Weise den Fragen der Torwachen ausweichen zu können.
Einer der Wachposten versperrte seinem Pferd jedoch mit dem Speer den Weg. »Wohin?« fragte der Mann. Wahrscheinlich ein Fittha, der sie für Söldner aus Oghin hielt und ihnen Ärger bereiten wollte.
Shoka hatte die Kurierspange. Er ließ seine kleine Schar mitten im Durchgang anhalten, was eine Straßenblockade zur Folge hatte; nicht weit hinter ihnen folgte eine Herde Ziegen. »Geht nur den Hauptmann was an, kommen tun wir von Anogi.«
Der Mann untersuchte die Spange. Verdammt wollte er sein, wenn der Soldat sie lesen konnte. Er brachte sie seinem Vorgesetzten, während sich die meckernden Ziegen zwischen die nervösen Pferde zu drängen begannen. Der Offizier kam zurück, während die Kolonne auf Anweisungen wartend vor und zurück wogte, was auf die Unruhe der Pferde zurückzuführen sein mochte, jedoch zur Folge hatte, daß der Durchgang durchs Tor versperrt wurde. Ziegen mekkerten, Hunde bellten, und der Güllewagen war wahrscheinlich irgendwo mittendrin.
»Macht das Tor frei!« brüllte der Offizier,
Weitere Kostenlose Bücher