Der Präsident
seinen Lebensstil selbst ausgesucht, und nun bekommt er anscheinend die Rechnung dafür präsentiert.«
»Verdammt noch mal, er ist doch dein Vater!«
»Jack, ich habe keine Lust, mich weiter darüber zu unterhalten.« Sie wollte aufstehen.
»Was ist, wenn ihm etwas zustößt? Was dann?«
Gefühllos blickte sie ihn an. »Dann passiert es. Das ist nicht mein Problem.«
Jack erhob sich und wandte sich zur Tür. »Gut. Ich erzähle dir dann, wie die Beerdigung war. Aber wenn ich’s mir recht überlege, was interessiert dich das? Ich sorge einfach dafür, dass du eine Kopie des Totenscheins für dein Poesiealbum bekommst.«
Nie hätte er für möglich gehalten, dass sie sich so blitzartig bewegen konnte, doch er sollte den Schlag noch eine Woche lang spüren, als hätte ihm jemand Säure über die Wange gegossen. Ein besserer Vergleich, als er im Augenblick annahm.
»Was fällt dir eigentlich ein?« Ihre Augen funkelten ihn an, während er sich verdutzt die Wange rieb.
Dann brachen die Tränen mit solcher Gewalt aus ihr hervor, dass sie bis auf den Bademantel tropften.
Leise, so sanft er konnte, meinte er, »Lass es nicht an mir aus, Kate. Ich habe es Luther gesagt, und ich sage es dir: Das Leben ist viel zu kurz für solchen Unsinn. Meine Eltern habe ich schon vor langer Zeit verloren. Na gut, du hast Gründe, den Kerl nicht zu mögen. Das ist deine Sache. Aber der alte Mann liebt dich und sorgt sich um dich. Auch wenn du der Meinung bist, er habe dein Leben zerrüttet, musst du diese Liebe anerkennen. Das ist mein Rat für dich, nimm ihn an oder lass es bleiben.«
Er schritt auf die Tür zu, doch abermals war sie schneller.
»Du weißt gar nichts darüber.«
»Gut, ich weiß gar nichts darüber. Geh zurück ins Bett, ich bin sicher, du schläfst gleich wieder ein, und nichts wird dein Gewissen trüben.«
Sie packte ihn mit solcher Kraft am Mantel, dass sie ihn herumgewirbelt hätte, wäre er nicht vierzig Kilo schwerer als sie gewesen.
»Als er zum letzten Mal ins Gefängnis wanderte, war ich zwei Jahre alt. Als er herauskam, war ich neun. Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie entsetzlich sich ein kleines Mädchen schämen muss, dessen Vater im Gefängnis sitzt? Dessen Vater sein Geld damit verdient, dass er das Eigentum anderer Leute stiehlt? Wie es bei der Vorstellrunde in der Schule ist? Ein Vater ist Arzt, ein anderer Lastwagenfahrer, dann bist du an der Reihe, und die Lehrerin schlägt die Augen nieder, erzählt der Klasse, dass Katies Vater weggehen musste, weil er etwas Schlimmes angestellt hatte, und nimmt das nächste Kind dran?
Nie war er für uns da. Nie! Mom war die ganze Zeit krank vor Sorge um ihn. Aber sie hat ihm immer vertraut, bis zum bitteren Ende. Sie hat es ihm leicht gemacht.«
»Letztlich hat sie sich von ihm scheiden lassen, Kate«, erinnerte Jack sie freundlich.
»Nur, weil ihr nichts anderes mehr übrig blieb. Und gerade, als sie ihr Leben langsam in den Griff bekam, fand man einen Knoten in ihrer Brust und sechs Monate später war alles vorbei.«
Kate lehnte sich an die Wand zurück. Es war schmerzvoll mit anzusehen, wie erschöpft sie aussah. »Und weißt du, was das Verrückteste daran ist? Sie hat nie aufgehört, ihn zu lieben. Nach all dem unsagbaren Elend, in das er sie gestürzt hat.«
Kate schüttelte den Kopf. Sie konnte kaum glauben, was sie da von sich gegeben hatte. Mit leicht bebendem Kinn blickte sie zu Jack auf.
»Aber das macht nichts, weil ich genug Hass für uns beide in mir trage.« Sie sah ihn an. Eine Mischung aus Stolz und Selbstgerechtigkeit lag in ihren Zügen.
Jack wusste nicht, ob es an der völligen Erschöpfung lag, die er verspürte, oder an dem Umstand, dass sich die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, so viele Jahre lang in ihm aufgestaut hatten. Jahre, in denen er über diese Farce hinweggesehen hatte, zugunsten der Schönheit und Lebendigkeit der Frau ihm gegenüber, seiner Traumfrau.
»Ist das deine Vorstellung von Gerechtigkeit, Kate? Genug Hass gegen genug Liebe, und alles gleicht sich aus?«
Sie trat einen Schritt zurück. »Was soll das heißen?«
Er ging auf sie zu, während sie weiter in den kleinen Raum zurückwich. »Ich habe deiner verfluchten Leidensgeschichte so lange zugehört, dass sie mir wirklich zum Hals heraushängt. Du hältst dich für die unfehlbare Beschützerin der armen Opfer. Nichts hat dem gegenüber Vorrang. Nicht du, nicht ich, nicht dein Vater. Der einzige Grund, warum du jeden Hundesohn anklagst, der dir
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