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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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weiter.«
    »Wer schickt dir denn so früh am Morgen eine SMS? Hast du Bereitschaft?«, murrte Dan.
    »Ja. Schlaf einfach weiter«, wiederholte ich. Zum Glück gehorchte er und schnarchte kurz darauf wieder friedlich.
    Ich ging mit meinem Handy ins Badezimmer und las die SMS. Dieses Mal wollte Justin 300 Pfund von mir. Ohne Umschweife, genau wie bei den letzten Malen.
    »Die dicke Paula hat schon wieder nach dir gesucht«, teilte mir Serian fröhlich mit, als ich zwei Stunden später im Büro eintraf. Sie reichte mir einen Stapel Papiere und einen Kaffee und beäugte neugierig meine Wange. Ich hatte die Schramme und den Bluterguss gar nicht erst mit Make-up abzudecken versucht, weil es dann so ausgesehen hätte, als hätte ich etwas zu verbergen. »Was ist denn mit dir passiert? Hast du einen Ringkampf verloren?«
    »Du solltest mal den anderen Typen sehen«, antwortete ich heiter, wie ich es schon mehrmals an diesem Morgen getan hatte.
    Es ist wirklich erstaunlich, wie die Kollegen einen anstarren, wenn man als Frau mit einer Gesichtsverletzung zur Arbeit kommt, vor allem, wenn es sich bei diesen Kollegen um Polizisten handelt. Ich tischte Serian dieselbe Ausrede auf wie zuvor schon Nige, der Empfangsdame, Superintendent Sellers und Kirsty aus dem Archiv. »Bin beim Joggen gestürzt.«
    Eine einfache, überzeugende Ausrede. Und nicht einmal besonders weit hergeholt. Dennoch spürte ich, wie die Leute mich abschätzend und besorgt betrachteten. Genauso gut hätte ich behaupten können, ich wäre gegen eine Tür gelaufen.
    Ich rechnete jeden Augenblick damit, dass mich eine Mitarbeiterin der Abteilung für häusliche Gewalt dezent auf dem Flur ansprach und mir auf einfühlsame und taktvolle Weise zu verstehen gab, dass ich mich jederzeit an sie wenden könne, wenn ich Probleme hätte, streng vertraulich natürlich. Aber nichts passierte. Da Dan Detective Inspector war, hielt man sich offenbar zurück (oder war nur feige) und eilte mit gesenktem Blick an mir vorbei.
    »Hat dir dein Alter eine gescheuert?«, fragte Doyle mit einem Grinsen, als ich auf der Flucht vor der dicken Paula ins Konferenzzimmer schlüpfte, wo sich die Kollegen von der Kripo zu einer Einsatzbesprechung versammelt hatten. Ich ignorierte die verstohlenen Blicke der Anwesenden auf meine Wange und setzte mich. Die dicke Paula blieb zögernd in der Tür stehen, die Superintendent Sellers zum Glück gerade schließen wollte. Weil sie dann doch nicht den Mut aufbrachte, ein Meeting zu stören, zog Paula beleidigt ab. Was auch immer sie von mir wollte, an diesem Morgen hatte ich nicht die Energie, mich mit ihr auseinanderzusetzen. Ich bekam kaum ein Wort von dem mit, was Sellers über Drogenrazzien und Maßnahmenpakete zur Informationsbeschaffung vortrug, außer dass sie irgendwann ein totes Baby erwähnte – Methadon-Überdosis, glaube ich.
    Benommen starrte ich in die Finsternis, die in meinem Kopf herrschte, und spielte den Vorabend immer wieder in Gedanken durch. Bevor ich ins Bett gefallen war, hatte ich den Computer hochgefahren, um nach der »Surfschlampen«-Website zu suchen. Noch jetzt drehte sich mir allein beim Gedanken daran, dass auch ich eines Tages auf dieser Seite erscheinen könnte, der Magen um.
    Dass es dazu kam, war durchaus möglich. Vielleicht würde meine Karriere als unfreiwilliger Pornostar dort ihren Anfang nehmen, bevor Justin das Video, auf dem er mich vögelte, an Dans E-Mail-Adresse oder an meine Freunde verschickte.
    Leider war keine Internetverbindung zustande gekommen. Jedes Mal wenn ich die Suchmaschine aufrufen wollte, erschien hartnäckig die Meldung »Derzeit keine Verbindung möglich – bitte kontaktieren Sie Ihren Internetanbieter«.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass sich das Problem von allein löste und die Verbindung irgendwann wieder funktionierte. Die Warterei war nervtötend. Ohne dass meine Mitmenschen etwas davon mitbekamen, liefen in Endlosschleife Horrorvisionen vor meinem inneren Auge ab, und ich musste versuchen, irgendwie mein Gehirn abzuschalten, bevor meine Nervenenden anfingen, sich aufzulösen, und ich vor der versammelten Führungsriege der Kripo einen hysterischen Anfall bekam.
    Ich versuchte, mich abzulenken, indem ich mir mental veranschaulichte, was ich inzwischen herausgefunden hatte. Ich kannte Justins richtigen Namen, und mithilfe dieser Schlüsselinformation konnte ich ihn vielleicht knacken wie eine altmodische Dose Corned Beef, indem ich erst mit dem Öffner

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