Der Preis des Schweigens
Alkohol gönnte, und er würde dafür sorgen, dass sie es voll auskostete.
»Ich glaube, deine Verlobte braucht ein bisschen Zuwendung, lieber Schwiegersohn«, sagte sie, und wie immer genügte sein Anblick, um sie zum Strahlen zu bringen. »Sie ist ein bisschen überempfindlich wegen der Hochzeit«, flüsterte sie laut, während ich heulend dasaß und unter Schluchzern die Worte hervorstieß: »Kann ich bitte einen großen Jack Daniel’s haben?«
»Seit wann trinkst du Jack Daniel’s?«, fragte Dan überrascht.
»Schon seit wir uns kennen.«
Mein Vater gewann an diesem Tag unsere Trivial-Pursuit-Partie.
7.
E s war der 28. Dezember. Doyle, Detective Inspector Harden und Laura von der Staatsanwaltschaft saßen, umgeben von Farbtöpfen und abgedeckten Stühlen, auf Schreibtischen und brachten sich gegenseitig auf den neusten Stand, was den Voyeurismus-Prozess betraf, der am kommenden Dienstag begann. Ich hatte bereits die Pressemeldung verfasst, die im Voraus abgesegnet werden sollte, damit wir bei Prozessbeginn für die unvermeidlichen Anfragen gerüstet waren.
Mr und Mrs Taylor hatten sich im Februar des vergangenen Jahres bei der Polizei gemeldet, nachdem sie entdeckt hatten, dass ihr Elektriker eine versteckte Kamera in dem Rauchmelder direkt über dem Ehebett installiert hatte, mit dessen Anbringung er von ihnen beauftragt worden war. Er hatte die »ehelichen Aktivitäten« des Paars fast ein Jahr lang gefilmt und sich die Aufnahmen mittels eines kleinen Senders an seinen privaten Computer übermitteln lassen. Der Mann war nicht nur der Elektriker von Mr und Mrs Taylor, sondern auch ihr bester Freund, den sie seit zehn Jahren kannten.
Herausgefunden hatten sie das Ganze durch Zufall, als Mr Taylor einen Appell der Feuerwehr im Fernsehen gesehen und daraufhin seinen Rauchmelder getestet hatte, nur um verdutzt festzustellen, dass dieser überhaupt nicht funktionierte.
Rowan hatte die Aufnahmen »für seine eigene Befriedigung« verwendet und vermutlich auch ein paar ausgewählte Filmchen per E-Mail an enge Freunde versandt. Die Taylors, ein wohlhabendes und recht zurückgezogen lebendes Paar Anfang dreißig, waren natürlich zutiefst beschämt. Der Gerichtstermin wurde auf den 3. Januar festgelegt. Laura ging davon aus, dass sich Rowan schuldig bekennen und den Taylors eine Aussage vor dem Richter und den Geschworenen und eine Vorlage der Beweismittel ersparen würde.
Ich hatte den Eheleuten Taylor dringend geraten, sich vom Gerichtsgebäude fernzuhalten. Als Opfer eines Sexualverbrechens genossen sie zwar volle Anonymität, aber die Reporter wussten dennoch, wer sie waren, und würden sie bedrängen, um Reaktionen und Kommentare von ihnen zu bekommen. Vielleicht würden sie sogar versuchen, die beiden zu einem »sensibel formulierten« Artikel über ihr »Martyrium« und »ihr missbrauchtes Vertrauen« zu überreden, bei dem sie selbstverständlich nur hinter einer Schattenwand fotografiert oder gefilmt würden, um ihre Identität zu schützen.
Auch Jack NewsBeatWales hatte natürlich Wind von dem Fall bekommen und versuchte bereits, ein Interview abzustauben. Die Pressemitteilung, die ich vorbereitet hatte, besagte, dass es keine Kommentare geben würde.
»Die Sache wird überall die Runde machen, nicht wahr?«, fragte Mrs Taylor, als ich sie und ihren Mann auf das Medieninteresse vorbereitete, das auf sie einstürmen würde, und ihnen Tipps gab, wie sie es möglichst klein halten konnten. »Die Leute werden erfahren, dass wir das sind, die Leute im Gericht, die Anwälte. Unsere Nachbarn werden es erfahren, unser ganzes Umfeld. So etwas spricht sich herum. Alle werden es wissen. Sie können sich nicht vorstellen, wie furchtbar es ist, wenn so etwas Privates und Intimes … Wir dachten, er wäre unser Freund, dabei hat er die ganze Zeit … Ihre Kollegen waren wirklich wunderbar. Detective Ryan und Detective Williams haben uns so freundlich und rücksichtsvoll behandelt. Aber es ist alles so demütigend!«
Sie tat mir unendlich leid, wie sie blass und weinend vor mir saß und von ihrem finster vor sich hin starrenden Mann getröstet wurde. Aber natürlich dachte ich auch an mich selbst und daran, wie ich verhindern konnte, dass ich in dieselbe missliche Lage geriet und die ganze Welt mein pornographisches Debüt zu sehen bekam.
Ich war immer schon der Ansicht gewesen, dass Pornographie in den Beziehungen der Menschen eine seltsame Rolle spielt. Manche tun so, als gäbe es sie überhaupt nicht,
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