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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon
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exakt jene Stelle, an der ihr Inneres dahinschmolz. Anna dachte kurz darüber nach, das Klingeln zu ignorieren. Doch dann erinnerte sie sich an das letzte Mal, als sie dies getan hatte, und Chloe geschlagene zehn Minuten an der Bushaltestelle hatte warten müssen, weil sie kein Geld für eine Fahrkarte dabeigehabt hatte. Die Wolke der Vorwürfe hätte beinahe die Sonne verdunkelt.
    Stöhnend streckte sie den Arm aus, griff hinter ihren Kopf und nahm den Hörer ab.
    »Hallo?«, fragte sie in einem Tonfall, der sich wie ein Anrufbeantworter anhörte.
    »Hi Anna, hier ist Michelle.«
    Anna richtete sich auf dem Sofa auf und schlang sich die Decke um. Phil, auf ihr, ächzte und ließ seine Stirn auf ihre nackte Schulter sinken.
    »Ich störe doch nicht, oder?«, erkundigte sich Michelle.
    »Doch«, erwiderte Phil. »Sag ihr, dass sie unsere knapp bemessene Mummy-und-Daddy-Zeit empfindlich stört.«
    Anna legte eine Hand über den Hörer und bedachte ihn mit ihrem »Sie ist allein, also sei ein wenig nachsichtig mit ihr«-Blick.
    »Phil und ich haben nur … einen Film angeschaut«, erklärte sie. »Ich dachte, die Mädchen würden vielleicht mal anrufen.«
    Obwohl es bei den McQueens auf dem Sofa bereits nach zehn Uhr abends war, war es im Staat New York erst später Nachmittag – also die beste Zeit für einen Anruf zu Hause. Becca, Chloe und Lily waren erst zwei Tage fort – zwei aufregende, vollkommen unverplante Tage, an denen Phil und Anna das Bett so gut wie gar nicht verlassen hatten, und wenn, dann nur, um mit Pongo Gassi zu gehen. Dennoch riefen die Mädchen wenigstens einmal am Tag an, um sicherzugehen, dass mit Dad alles in Ordnung war. Oder, wie Chloe es ausdrückte, um »sicherzustellen, dass Dad sie wirklich vermisste«.
    Anna fragte sich, ob sich Michelle gerade in einer anderen Zeitzone aufhielt, da sie für einen Abend in der Nachweihnachtswoche und zumal um diese Uhrzeit viel zu geschäftig klang.
    »Hör mal, wann besuchst du das nächste Mal Phils Mum? In Butterfield?«
    »Wie bitte? Keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, Michelle, habe ich gerade anderes im Kopf als meine Schwiegermutter.«
    »Sag Michelle, sie soll dich morgen früh zurückrufen.« Phil legte seine Hand um ihre Taille. »Was auch immer es ist – es kann warten. Ich nicht.«
    »Das habe ich gehört«, rief Michelle. »Sag ihm, dass ich nicht lange brauche.«
    »Ich auch nicht.«
    Anna starrte Phil an, um ihn zum Schweigen zu bringen, doch als sie seine tragische Miene sah, musste sie lachen.
    Als Anna Phil zum ersten Mal begegnet war, hatte er auch dieses Gesicht gezogen, und sie hätte ihn am liebsten gleich in den Arm genommen. Ironischerweise war er mit den drei Mädchen und Pongo unterwegs gewesen, sodass man ihr wohl kaum vorwerfen konnte, sie habe nicht gewusst, worauf sie sich da einlassen würde. Es war der heißeste Tag des Jahres gewesen, und die drei hatten ihn gegen seinen Willen zum Longhamptoner Stadtfest geschleppt. Es war schwer festzustellen, wer von den vier McQueens es am wenigsten genoss, da Phil, Becca und Lily ihre Gesichter als Tiger geschminkt hatten. Chloe dagegen war ein Schmetterling und hatte doppelt so viel Glitzerzeug im Gesicht wie alle anderen zusammen.
    Anna hatte einen Kuchenstand für die Bibliothek betreut und den dunkelhaarigen geplagten Mann mit den drei jungen Mädchen beobachtet, als diese streitend zu ihr herübergekommen waren. Während sie Becca dabei geholfen hatte, den Keks mit der meisten Schokolade auszusuchen, hatte Lily ihre Kleinkinderhände direkt in den Cupcakes vergraben und Pongo mit pinkfarbenem Buttercremeüberzug verschmiert. Dieser war geschockt aufgesprungen und hatte dabei den gesamten Kuchenstand mitgerissen. Der ganze Kuchen war durch die Luft geflogen und hatte dem Labrador nebenan, dessen Gewicht erraten werden sollte, zwei Kilo Gewicht mehr beschert, da Coco das verfrühte Abendessen schamlos ausnutzte.
    Phil hatte hilflos und erschrocken das Chaos betrachtet und schuldbewusst dem Gejammer gelauscht, das danach losgegangen war, dass sich Anna dabei ertappte, wie sie sich bei ihm entschuldigte, als sie gemeinsam das Kuchendesaster beseitigten. Es war unmöglich, einem alleinerziehenden Vater mit Tigergesicht böse zu sein – insbesondere, wenn seine Augen derartig dunkel und schön waren, dass sie beinahe vergaß, dass er Schnurrhaare hatte. In der nächsten Mittagspause in der Bibliothek tauchte er ohne die Gesichtsschminke auf und sah in seinem Anzug richtig erwachsen

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