Der Prinz mit den sanften Haenden
„Das geht, aber ...", er hob den Zeigefinger, und alle sahen Jalal aufmerksam an, „... jeder muss auch zum Unterricht kommen, es sei denn, er hat einen triftigen Grund fern zu bleiben. Wenn ihr es wirklich lernen wollte,' machen wir das auch, aber es gehört Disziplin dazu."
Alle nickten zustimmend, und mit einem Mal war Clio verärgert. Was hatte er vor? Wollte er sich seine Anhänger nun aus ihrer Familie holen?
„Hast du deinen Leuten auch Selbstverteidigung beigebracht?" fragte sie, nachdem die Kinder davongeeilt waren, um einen der Räume extra für den Unterricht aufzuräumen.
Jalal hörte sofort die erneute Feindseligkeit in Clios Ton und runzelte die Stirn. Sie waren allein in der großen Küche. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne fielen durchs Fenster. Grillen zirpten, und ein Boot fuhr auf dem See vorbei, während sie im Schatten saßen und sich beobachteten.
„Ja, viele haben es von mir gelernt."
„Wie schade, dass Zara nie einen Selbstverteidigungskurs belegt hat."
„Deine Schwester ist eine tapfere und umsichtige Frau, aber Selbstverteidigung hätte ihr wenig genützt."
„Du hast sie bewundert, ja? Wie weit ging denn deine Bewunderung?"
„So weit, dass ich ihr nie das hätte antun können, was dieser Einbrecher dir antun wollte. Setzt du mich im Geiste mit ihm gleich?"
Tat sie das? Clio schloss die Augen. Warum reizte sie Jalal schon wieder? Und das nach dem, was er heute für sie getan hatte? „Ist das, was du mit ihr gemacht hast, denn so anders?" fragte sie zurück und fühlte sich restlos verwirrt.
Sichtlich erregt sprang Jalal auf. „Wenn du mir nicht vertraust, Clio, liegt das nur daran, dass du dir selbst nicht vertraust. In deinem Herzen kennst du die Wahrheit. Du hast kein Problem mit mir, sondern mit deinen innersten Gefühlen. Denk mal darüber nach, warum das so ist."
Sie hörte seine leisen Schritte, als er die Treppe hinaufging, hörte, dass die Kinder ihm etwas zuriefen, und dann fiel eine Tür zu. Sie saß allein im Dämmerlicht. Einer der Hunde spürte, dass sie bedrückt war, und stieß sie mit der Schnauze mitfühlend an.
Die Kinder hatten vergessen, den Tisch abzuräumen. Aber die ses Mal würde sie das durchgehen lassen. Sie war froh, dass sie etwas zu tun hatte und allein sein konnte. Ohne das Licht anzumachen, räumte sie das Geschirr in die Maschine und schaffte ein wenig Ordnung in der Küche. Danach zog sie sich eine leichte Jacke über, nahm die Leinen der Hunde und stieß die Fliegentür auf.
Die Hunde liefen vor ihr her nach draußen und den gewohnten •Pfad entlang. Etwas später kamen sie an ihren Lieblingsplatz, von dem aus man die Hügellandschaft um den See herum bewundern konnte.
Sie setzte sich auf ihren Lieblingsfelsen und schaute zu, während langsam die Lichter in Love's Point und in den Ferienhäusern rund um den See angingen.
„Du hast kein Problem mit mir, sondern mit deinen innersten Gefühlen. Denk mal darüber nach, warum das so ist."
5. KAPITEL
Madeleine Donnelly und Brandon Blake waren in den Sechzigern jeder allein nach Love's Point gekommen, als es ein Ausflugsort der Hippies gewesen war. Sie hatten sich hier kennen gelernt und sich gleich in ihrem ersten Sommer ineinander verliebt. Maddy hatte Porträts für die Touristen gemalt, und Brandon hatte Gitarre gespielt.
Ein paar Jahre später hatten sie sich auf ein gewagtes Unternehmen eingelassen und das heruntergekommene, fast abbruchreife alte Haus der Loves gekauft und renoviert.
Nachdem das Haus halbwegs fertig war, hatten Maddy und Brandon entschieden, die Zeit für Nachwuchs sei gekommen, und einmal damit angefangen, gab es kein Halten mehr. Inzwischen waren es neun. Die beiden Ältesten waren bereits ausgezogen, aber natürlich hatten die Blakes eine Reihe von Cousins und Cousinen, Freunden und Freundinnen, die aus irgendwelchen Gründen jeder einmal für eine Zeitlang zu ihnen zogen.
Da Clio mit zweiundzwanzig nach Zara und Jude die drittälteste war, glaubten viele, sie wäre die Nächste, die in die Ferne schweifen würde. Doch Clio wollte nirgendwohin. Love's Point und die Seen waren ihr Zuhause.
Die bunten Lichter der Großstadt übten keine Anziehungskraft auf sie aus. Sie konnte die Sehnsucht verstehen, die Zara und Jude in die Ferne getrieben hatte, aber sie teilte sie nicht. Alles, was sie sich je gewünscht hatte, war in ihrer Reichweite gewesen.
Alles bis auf eines.
Sie hatte Peter Clifford zum ersten Mal in der High School gesehen und sich
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