Der Prinz und der Soeldner
glättete seine Uniform und salutierte pedantisch vor Graf Vorkosigan, bevor er sich Miles zuwandte.
Miles stellte sich vor, dass der Arzt mehr daran gewöhnt war, Leute nervös zu machen, als sich von ihnen nervös machen zu lassen, und dass ihm diese Umkehrung der Rollen unangenehm war. War es eine Aura vergangener Gewalt, die seinem Vater immer noch nach all den Jahren anhaftete? Die Macht, die Geschichte? Ein persönliches Charisma, das vormals energische Männer niederzwang wie kuschende Hunde? Miles konnte diese Ausstrahlung vollkommen deutlich spüren, und doch schien sie auf ihn nicht die gleiche Wirkung zu haben.
Vielleicht war er akklimatisiert. Der frühere Lordregent war der Mann, der – ungeachtet irgendwelcher Krisen (außer einem Krieg) – jeden Tag zwei Stunden lang Mittagspause gemacht hatte und in seine Residenz verschwunden war.
Nur Miles kannte diese Stunden von innen: wie der große Mann in der grünen Uniform in fünf Minuten ein Sandwich runterschlang und dann die nächsten anderthalb Stunden auf dem Fußboden verbrachte zusammen mit seinem Sohn, der nicht gehen konnte, und mit ihm spielte und sprach und ihm laut vorlas.
Manchmal, wenn Miles in hysterischem Widerstand gegen irgendeine neue schmerzhafte physikalische Therapie verkrampft war und damit seine Mutter und sogar Sergeant Bothari erschreckte, dann war sein Vater der einzige gewesen, der fest darauf bestanden hatte, dass er diese zehn besonders quälenden Beinstreckungen über sich ergehen ließ, sich artig der Behandlung mit Hypospray unterzog, eine weitere Runde von Operationen duldete, oder die eisigen Chemikalien, die auf seinen Venen brannten.
»Du bist ein Vor. Du darfst deine Lehnsleute nicht mit einer solchen Vorstellung der Unbeherrschtheit erschrecken, Lord Miles.«
Der stechende Geruch dieser Krankenstation und der angespannte Doktor weckten eine Flut von Erinnerungen. Kein Wunder, überlegte Miles, dass es ihm nicht gelungen war, Metzov genügend zu fürchten. Als Graf Vorkosigan gegangen war, wirkte die Krankenstation völlig leer.
In dieser Woche schien sich im Hauptquartier des Sicherheitsdienstes nicht viel zu ereignen. Die Krankenstation war einschläfernd ruhig, abgesehen von dem Rinnsal von Mitarbeitern des Hauptquartiers, die von dem nachgiebigen Sanitäter Medikamente gegen Kopfweh, Erkältung oder Brummschädel schnorrten. Ein paar Techniker verbrachten an einem Abend drei Stunden damit, aufgrund eines Eilauftrages im Labor herumzuklappern, und eilten dann wieder weg. Der Arzt brachte Miles’ gerade ausbrechende Lungenentzündung zum Stillstand, bevor sie sich in eine galoppierende entwickelte. Miles brütete vor sich hin, wartete darauf, dass die auf sechs Tage angesetzte Antibiotikatherapie ihren Lauf nahm und plante Details für einen Heimaturlaub in Vorbarr Sultana, der ihm sicherlich bevorstand, wenn die Medizinmänner ihn entließen.
»Warum kann ich nicht nach Hause gehen«, beschwerte sich Miles bei seiner Mutter, als sie ihn besuchte. »Niemand sagt mir irgend etwas. Wenn ich nicht unter Arrest bin, warum kann ich dann keinen Urlaub nehmen? Wenn ich unter Arrest bin, warum sind dann die Türen nicht abgesperrt? Ich fühle mich, als würde ich in der Luft hängen.«
Gräfin Cordelia Vorkosigan gab ein undamenhaftes Schnauben von sich. »Du hängst in der Luft, mein Kleiner.« Ihr betanischer Akzent klang warm für Miles’ Ohren, trotz ihres sarkastischen Untertons. Sie warf den Kopf zurück – sie trug ihr kastanienbraunes, mit grauen Fäden durchsetztes Haar heute nach hinten zurückgesteckt und lose über den Rücken fallend, wo es über der herbstbraunen Jacke schimmerte, die mit silberner Stickerei besetzt war, und bis zu den schwingenden Röcken einer Frau der Vor-Klasse reichte. Sie hatte auffallende graue Augen, und ihr bleiches Gesicht mit den darüber hinweghuschenden Gedanken wirkte so lebendig, dass man kaum merkte, keine außergewöhnliche Schönheit vor sich zu haben. Einundzwanzig Jahre galt sie schon als Vor-Dame im Kielwasser des Großen Mannes, aber immer noch erschien sie so unbeeindruckt wie je von barrayaranischen Hierarchien – allerdings nicht, dachte Miles, unberührt von barrayaranischen Wunden.
Also, warum denke ich nie von meinem Ziel als einem Schiffskommando von der Art, wie es meine Mutter vor mir hatte?
Captain Cordelia Naismith vom Betanischen Astronomischen Erkundungsdienst hatte sich der riskanten Aufgabe gewidmet, das Geflecht der Wurmlöcher Sprung um
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