Der Prometheus-Verrat
Ende der Leiter angelangt: in einem dunklen, feuchten Gang, wo es nach Bilgewasser stank. Die Decke war so niedrig, dass Bryson und die Frau sich nur tief gebückt darin fortbewegen konnten. Die Schritte der Verfolger waren jetzt weit entfernt und nur noch schwach zu hören. Wieselflink eilte die Frau voraus, durch die geduckte Haltung kaum behindert. Bryson musste sich anstrengen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Hinter einem Abzweig nach rechts gelangten die beiden wieder an eine senkrechte Leiter, über die die Frau kurzerhand nach oben stieg. Bryson folgte ihr, und bald tauchte ein weiterer Gang auf. Die Frau hatte ein Streichholz angerissen. Im Schein der flackernden Flamme waren auf beiden Seiten hohe Wände aus profiliertem Metall zu erkennen. Erst auf den zweiten Blick stellte Bryson fest, dass es sich um die Stirnseiten von Containern handelte, die hier dicht an dicht zusammenstanden. Der Gang führte durch zwei Containerreihen hindurch.
Sie zündete noch ein Streichholz an und hielt es vor eines der in Kniehöhe aufgeschraubten Schilder, die den jeweiligen Inhalt spezifizierten. »Steel Eagle 105, 107, 111 …«, las sie leise.
»Kampfmesser. Weiter.«
Sie ging zum nächsten Container. »Omega Technologies …«
»Das sind elektronische Komponenten. Die haben hier wohl alles. Uns hilft das jetzt aber nicht weiter.«
»Mark-Twelve IFF Crypto …«
»Das sind Verschlüsselungssysteme. Versuchen wir’s im nächsten Gang. Schnell!«
Bryson kauerte sich vor einen Container auf der anderen Seite und versuchte im schwachen Licht zu entziffern, was auf dem Schild stand. »Ich glaube, hier haben wir was«, sagte er. »XM84 Blendgranaten, ungiftig, nicht-splitternd. Flashand-bang. Die giftigen wären mir lieber, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.«
Leise las sie weiter: »AN/PSC-11 SCAMP.«
»Single-Channel Anti-Jam Man-Portable. Das sind speziell abgeschirmte Funkgeräte für den Kampfeinsatz. Was gibt’s noch?«
Sie riss ein weiteres Streichholz an. »AFATDS?«
»Army Field Artillery Tactical Data System. Damit wird ermittelt, für welches Ziel welche Munition am geeignetsten ist. Hilft uns jetzt auch nicht weiter.«
»AN/PRC-132 SOHFRAD?«
»Special Operations High Frequency Radio. Ist nichts.«
»Tadiran …«
Er fiel ihr ins Wort. »Tadiran Telecommunications, aus Ihrer Heimat. Ein Lieferant für drahtlose Vermittlungssysteme. Können wir hier auch nicht gebrauchen.«
Dann fiel ihm das Schild des benachbarten Containers ins Auge: M-25 CS und M-76, Tränengasgranaten und Granatwerfer für Polizei- und Militäreinsätze gegen Aufständische. »Das wär was«, sagte er aufgeregt, aber leise. »Genau, was wir brauchen. Wissen Sie, wie man diese Kästen aufkriegt?«
»Kein Problem. Die Container sind nur versiegelt. Schlösser gibt’s nicht.«
Das Siegel war schnell aufgebrochen, und nicht weniger schnell löste sich die zwei Meter achtzig hohe Klappe aus der Halterung. Im Inneren des Containers stapelten sich Holzkisten mit Granaten und anderem Gerät: eine wahrhaft Aladin’sche Waffenhöhle.
Zehn Minuten später war das Nötigste eingesammelt. Nachdem sie sich mit den einzelnen Waffen vertraut gemacht hatten, stopften sie die kleineren Teile – Granaten und Munition – in die Taschen ihrer Schutzwesten aus Kevlar. Die größeren Teile wurden mit Hilfe von provisorischen Halftern, Rucksäcken und Seilschlingen an Schultern und Rücken befestigt beziehungsweise in den Händen getragen. Beide hatten einen Kevlar-Helm mit Visier auf dem Kopf.
Plötzlich polterte es laut über ihren Köpfen. Dann kratzte kreischend Metall auf Metall. Bryson schlüpfte in einen schmalen Gang zwischen zwei Container und winkte die Frau zu sich.
Helles Licht fiel in den Raum, als sich die Decke zu öffnen schien; tatsächlich klappte nur eine Luke über der Ladesektion auf, in der sich die beiden befanden. Das Licht stammte aus starken Stablampen, die drei oder vier Männern in ihren Händen hielten. Die Männer wurden noch von etlichen anderen verstärkt, und Bryson sah von schräg unten, dass sie alle schwer bewaffnet waren.
Nein, zu einer Konfrontation durfte es hier und jetzt nicht kommen, zumal er sich mit der fremden blonden Frau, die aus unerfindlichen Gründen seine Komplizin geworden war, noch nicht hatte absprechen und auf eine Strategie festlegen können.
Er packte die in Bulgarien hergestellte Kalaschnikow AK-27, richtete sie nach oben und spielte in Gedanken seine Möglichkeiten
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