Der Puppenfänger (German Edition)
nicht? Dass du immer so ungeduldig bist?«
»Quatsch! Ich begreife nicht, weswegen die äußerst angenehme Stimmung zwischen Tante Martha und uns plötzlich umschlug und das Gespräch aus dem Ruder lief.«
»Drei Mal darfst du raten, von der Heide!«
»Alexandra! Sie wollte nicht über Alexandra Rosenbring sprechen, und sie wollte sich nicht zu dem Bukett auf ihrem Grab äußern.«
Dieter nickte. »Den Eindruck hatte ich auch. Jetzt frage ich mich, ob wir den Spruch auf der Schleife als eine Warnung aus der Gegenwart verstehen sollen. Oder ob hier eine Stimme aus der Vergangenheit über Alexandra spricht und ihren Verwandten auf diese Weise mitteilt, das sie sterben musste, weil man sich an ihr – Gott weiß wofür – gerächt hat. Nur, verflixt noch mal, was hat das alles mit unseren aktuellen Ermittlungen zu tun?«
»Tante Martha behauptete zwar, über Alexandras Tod nichts zu wissen, aber im selben Atemzug sprach sie auch über Sünden, die Gott den Menschen vergibt, wenn sie gestorben sind.« Heide schüttelte den Kopf. »Gutes wird mit Gutem vergolten, Böses mit Bösem. Nichts wird vergessen, die Zeit der Vergeltung wird kommen ! Ich frage mich unentwegt, was Alexandra Böses getan haben könnte, dass irgendjemand ihr dafür fast zwanzig Jahre nach ihrem Tod diesen Spruch aufs Grab legt.«
»Ich denke zwar, es wird uns dem Ziel keinen Schritt näher bringen, aber ich werde mich bemühen, alles über das Mädchen zu erfahren. Vor allen Dingen sollten wir wissen, woran sie starb.« Dieter zog die Fernbedienung aus der Tasche seiner Lederjacke und öffnete die Autotür. Bevor er einstieg, griff er nach seinem Handy und rief auf der Dienststelle an.
Als Heide wenig später von ihm erfuhr, dass man Schöllens Wagen in Meppen sichergestellt hatte und er deshalb sofort auf die Dienststelle nach Lingen fahren würde, beschloss sie, die Fährte Alexandra Rosenbring allein weiterzuverfolgen. Als Erstes wollte sie Helens Hinweis nachgehen und Kontakt zu Frau Bochmann in Meppen aufnehmen, die ja möglicherweise gemeinsam mit Alexandra Rosenbring das Windthorst-Gymnasium besucht hatte. Kurz entschlossen griff sie Miss Marple , rief Sandra Bochmann an und verabredete ein Treffen am Montagnachmittag.
S ONNTAG, DEN 17. A PRIL 2011
Gestern hatte die Detektivin sich wieder im Dorf aufgehalten. Deswegen musste er besonders achtsam sein. Um keinerlei Risiko einzugehen, hatte er das Fahrzeug gewechselt, einen Umweg von sechzig Kilometern in Kauf genommen und die Ortschaft im Dunkeln in einem weiten Bogen umrundet. Jetzt erreichte er den Sandweg, der zur Hütte führte, aus südlicher Richtung, fuhr am Karpfenteich vorbei bis zur Grundstücksgrenze und parkte den Wagen hinter mehreren Eiben, die in den letzten Jahrzehnten eine beachtliche Höhe erreicht hatten und nun eine dichte Hecke bildeten.
Er öffnete das Handschuhfach und griff nach der Pistole. Einen Augenblick lang blickte er auf seine rechte Hand, die die Waffe hielt. Sie war ganz ruhig, zeigte nicht das geringste Zittern. Das wunderte ihn nicht.
Er hatte Schöllens Entführung − Schöllens Tod − seit langem geplant und auch schon ein Plätzchen gefunden, wo er die Leiche entsorgen würde. Schöllen hasste Wasser und fürchtete sich davor, weil in seiner Kindheit niemand ein Interesse daran gehabt hatte, dem kleinen Gerald das Schwimmen beizubringen. Tote schwammen ohnehin nicht, wenn die Lebenden dafür sorgten, dass ihr Körper nicht wieder auftauchte, überlegte er, als er seinen Blick über den kleinen See schweifen ließ, der irgendwann als Karpfenteich angelegt worden war und den man heute lediglich dazu nutzte, Campingstühle und einen Grill davor zu stellen.
Der Besitzer hatte keine Ahnung von der Fischzucht gehabt. Das Gewässer war zu tief angelegt worden, und es wurde durch Grundwasser gespeist. Karpfen gediehen bevorzugt in warmen, flachen Gewässern. Darum hatten sie sich in diesem Teich nie wohl gefühlt. Fast musste er lachen, als er an Schöllens Grab dachte.
»Hau ab, Gunnar!«, gab Gerald dem Schattenmann Bescheid, nachdem der die Hütte betreten hatte und sich vor sein Opfer hockte. »Verschwinde, wenn du mir kein Wasser besorgen kannst!« Viel zu wenig hatten die Schweine ihm seit seiner Gefangennahme zu trinken gegeben, sann Schöllen. Darum saß Paula unter dem Tisch und belästigte ihn, und daher rührten seine Kopfschmerzen und die lähmende Müdigkeit. Nahm der Mensch zu wenig Flüssigkeit auf, litt er unter Übelkeit. Deswegen
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