Der Purpurkaiser
ein geheimer Hebel war, dann musste er irgendwas öffnen.
»Sei vorsichtig«, sagte Pyrgus zu Blue. »Du musst sehr vorsichtig sein: Das ist die zweite Ebene – du könntest angegriffen werden.«
»Hinter mir ist es sicher. Wenn Gefahr droht, kommt runtergelaufen. Ich glaube, ich weiß wieder, was man machen muss. Das ist unsere größte Chance, hier herauszukommen.«
»Viel Glück, Blue«, sagte Pyrgus leise.
Blue ging langsam hinunter.
Henry zog den Hebel.
Stein mahlte auf Stein. Ein riesiger Teil der Treppe sackte unter ihnen weg und sie stürzten allesamt in einen Abgrund.
Achtzig
» U nd anschließend hab ich ihr die Schlüpfer geklaut«, schloss Brimstone mit zufriedenem Gesicht. Die Beichte hatte länger gedauert als erwartet, vor allem wegen dieser Sache mit den sieben Kobolden, aber die Mühe lohnte bestimmt. Die richtige Geisteshaltung war alles bei dieser Art von Magie. Sobald man sie erlangt hatte, konnte man sich praktisch alle anderen Vorbereitungen sparen – sogar einige der Schutzvorkehrungen.
Er schlurfte den Mittelgang zurück, nahm die Tasche mit dem jungen schwarzen Hahn – oder Papagei, besser gesagt! – und mühte sich mit dem Verschluss ab. Sobald er dem Vogel den Kopf abgebissen hätte, könnte er das Blut dazu benutzen, den notwendigen Kreis zu ziehen und die Schutzvorkehrungen einzuzeichnen. Das Menschenblut aus der Blutbank brauchte er erst später.
Die Tasche sprang unvermittelt auf und der Hahn schoss in einem Wirbel von Schreien und Federn hervor. Brimstone griff nach ihm und verfehlte ihn. Der Vogel flatterte über die zerbrochenen Kirchenbänke davon. Brimstone sauste hinterher, war aber schon nach ein paar Schritten außer Atem. Er blieb keuchend stehen. Dann würde er eben ohne den verfluchten Vogel auskommen müssen. Immerhin hatte er ja noch den Beutel Menschenblut. Wenn er das Blut richtig einsetzte, funktionierte es fast so wie das eines Opfers.
Brimstone schob Kirchenbänke herum, bis eine freie Arbeitsfläche entstanden war. Dann nahm er ein Stück Kreide aus der Tasche und zeichnete mit dem Geschick langer Übung ein großes gleichseitiges Dreieck auf den Boden, das mit der Spitze zum Altar zeigte. Er skizzierte rasch die symbolischen Verstärkungen, dann stand er auf und hob den Arm, in der anderen Hand das Zauberbuch.
»›Beschütze uns vor den Schrecken der Hölle‹«, intonierte er unter Benutzung des Gebets aus dem Buch. »›Gestatte den Teufeln nicht, meine Seele zu vernichten, wenn ich sie aus dem Höllenschlund heraufbeschwöre und ihnen befehle mir zu erfüllen, was ich begehre. Lass den Tag hell sein, lass die Sonne scheinen und den Mond, derweil ich sie rufe. Sie sind wahrlich schrecklich und abstoßend entstellt: Doch lass sie hervortreten in angenehmer und vertrauter Gestalt, wenn sie auf mein Geheiß erscheinen. Schütze mich vor denen, die da haben abscheuliche Gesichter, und heiße sie, mir zu dienen, wenn ich sie aus der Hölle rufe!‹«
Er legte das Buch zur Seite – schrecklich hochtrabend wie die meisten Zauberbücher der Gegenwelt. Wen interessierte schon, wie sie aussahen? Dämonen waren Dämonen und in ihrer spindeldürren, kleinen natürlichen Form genauso gefährlich wie in jeder anderen angenommenen Gestalt.
Er seufzte weise, dann holte er den Beutel mit Blut hervor und legte ihn in die Mitte des Dreiecks. Wirklich erstaunlich: Blut in Beuteln – die Gegenwelt war manchmal ganz schön gruselig.
Er hatte irgendwo in seiner Grundausrüstung noch ein Atham, das im Reich nutzlos war (solange man niemanden erdolchen wollte), aber hier in der Gegenwelt beste Dienste leisten würde. Nach einer Weile fand er es und schrieb damit über dem Dreieck die Eröffnungssiegel in die Luft. Zu Hause wären sie tatsächlich erschienen. Hier musste man sie sich vorstellen, sich eine Linie blauen Feuers ausmalen, die von der Spitze des Athams troff. Es war ein bisschen kniffelig, auf diese Weise zu arbeiten, und er ließ sich Zeit. Hauptsache, sie wirkten.
Als er fertig war, durchstach er den Blutbeutel in der Mitte, heftete ihn auf den Boden der Kirche. »Trinitas«, rief er laut, »Sother, Messias, Sabahot, Athanatos, Pentagna, Agragon – « Er reihte einen Namen der Kraft an den anderen. Nach ein paar Minuten überdehnten allmählich die Resonanzen das Gewebe der Realität jenseits des Dreiecks. »– Ischiros, Otheos, Visio, Flos – «
Das Blut aus dem durchbohrten Beutel rann wie eine Schlange auf die Spitze des Dreiecks zu und
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