Der Purpurkaiser
Beste!
»Ich leider auch nicht«, sagte er rasch. »Ist nicht gut für meine Gicht.«
Falls sie enttäuscht war, so zeigte sie es jedenfalls nicht. »Füllung?«
»Wenn du welche nimmst.«
»Aber gewiss«, sagte Madame Brimstone. »Und Kartoffeln, Möhren, Sinderack mit Minze und Erbsen auch. Essen hält Leib und Seele zusammen, wie ich immer zu sagen pflege.«
Brimstone starrte auf seinen randvollen Teller. Vielleicht hatte er sie falsch eingeschätzt. Da konnte kein Gift drin sein, außer sie wollte es auch selbst schlucken. Auf einmal fiel ihm etwas ein. Und wenn sie nun ein spezielles Gift nahm. Und wenn sie das Gegengift längst genommen hatte. Und wenn sie…
Das war Blödsinn. Seine Fantasie ging mit ihm durch. Die alte Fledermaus war viel zu blöd für so etwas. Und außerdem hatte sie doch gar nichts davon, wenn sie ihn in der Hochzeitsnacht umbrachte. Nicht, wo sie schon fünf Kerben im Bettpfosten hatte. Das erregte viel zu viel Verdacht. Sie hielt sich bestimmt noch ein, zwei Monate zurück. Aber in ein, zwei Monaten würde es zu spät sein.
»Wie bitte, meine Liebe?«, nuschelte Brimstone. Sie musste etwas gesagt haben.
»Lass uns anstoßen!«, sagte Madame Brimstone noch einmal.
Er stellte zu seinem Entsetzen fest, dass ein volles Weinglas vor ihm stand. Er hatte nicht einmal mitbekommen, wie sie es eingegossen hatte. Da musste das Gift drin sein! Sie hatte es ihm ins Glas getan, als er abgelenkt gewesen war. Wie kam er hier jetzt heraus, ohne ihr zu zeigen, dass er wusste, was sie vorhatte?
»Auf uns und unseresgleichen«, sagte Madame Brimstone fröhlich. Sie hob ihr Glas und sah ihn erwartungsvoll an.
Brimstone runzelte die Stirn. Was für ein Trinkspruch war das denn? Und wo war dieses Weinglas hergekommen?
»Was für ein Trinkspruch ist das denn?«, versuchte er verzweifelt auf Zeit zu spielen. Eine schwere Dekantierkaraffe aus geschliffenem Glas stand auf dem Tisch. Sie hatte eben noch nicht dort gestanden.
»Weißt du einen besseren?«, wollte Madame Brimstone beleidigt wissen. Sie starrte auf sein Glas.
Brimstone sprang auf. »Na, ›Auf das glückliche Paar‹ natürlich!«, rief er aus. Er gestikulierte theatralisch mit den Armen und schaffte es, dabei das Glas umzustoßen. Der Wein floss über den Tisch wie ein Woge von Blut. »Ach herrje!«, säuselte Brimstone. »Wie ungeschickt von mir! Lass gut sein, Schatz, ich gieß mir selbst ein neues Glas ein.« Als er die Karaffe ergriff, fiel ihm auf, dass das Tischtuch zu rauchen anfing und in Fetzen fiel.
Madame Brimstone schob rasch den Stuhl zurück und sprang auf, bevor die Flüssigkeit ihr in den Schoß laufen konnte. »Ich hole rasch etwas zum Aufwischen«, rief sie schrill.
»Einen Moment, meine Teure!«, säuselte Brimstone und tat so, als fiele ihm gar nicht auf, dass der Wein sich gerade durch die Tischplatte fraß. »Erst stoßen wir an, wie es sich gehört!« Er schenkte sich ein zweites Glas ein, sprang um den Tisch herum und hakte sich bei ihr ein. »Auf das glückliche Paar!«, sagte er erneut, dann verpasste er ihr eins mit der Dekantierkaraffe.
Madame Brimstone fiel um wie ein nasser Sack.
Einundvierzig
D er Baum war sehr merkwürdig. Er hatte den riesenhaften Stamm einer uralten Eiche, aber die Zweige waren gebogen wie die einer Andentanne. Fogarty beklopfte den Baumstamm zweimal von allen Seiten, konnte aber keine Öffnung finden, was einen Illusionszauber ausschloss. Und vielleicht hatte es auch gar nichts mit Zauberei zu tun. Auf Molekülebene bestand Materie größtenteils aus leerem Raum, und das Einzige, was die Materie deines Hinterteils daran hinderte, durch die Materie deines Stuhls zu flutschen, war ein elektrisches Feld. Also hatten sie vielleicht irgendetwas mit dem Feldpotenzial des Baums angestellt, so dass der Körper des Soldaten ihn durchdringen konnte. Was das Wie erklären würde, aber nicht das Warum. Warum sollte irgendjemand in einen Baumstamm eindringen wollen?
»Jetzt Sie«, sagte einer der grün uniformierten Soldaten und nickte Fogarty aufmunternd zu.
Fogarty zögerte nicht – er brannte viel zu sehr darauf, hinter das Geheimnis des Baumes zu kommen. Er ging rasch auf den massiven Baumstamm zu, genau zu der Stelle, auf die der Soldat gezeigt hatte, kam an, spürte die Rauheit und Festigkeit des Holzes und glitt doch irgendwie mitten hindurch. Es fühlte sich merkwürdigerweise so an, als würde er zur Seite rutschen.
Er befand sich in einem Schacht. Die metallverkleideten
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