Der Ramses-Code
Hand, und auch die entsprechende finanzielle Unterstützung sollte sich bewilligen lassen. Ich ernenne Sie hiermit zum Beauftragten für die Sicherstellung der archäologisch wertvollen ägyptischen Altertümer. Inoffiziell natürlich, ich weiß nicht, was das Parlament dazu meint.«
Ein Lächeln huschte um die Mundwinkel des Barons. »Das läßt sich hören. Ich danke Ihnen, Euer Lordschaft.«
»Was fehlt noch zu Ihrem Glück?«
»Werden Sie mit Young reden?«
Hawkesbury seufzte. »Weil Sie es sind, mein lieber Baron. Arrangieren Sie ein Treffen mit dem Mann.«
7
Fourier hatte viel zu tun. Bonaparte, der Erste Konsul, reformierte mit titanischer Energie Verwaltung, Gesetzgebung, Schulwesen, Staatsfinanzen; er entließ und ersetzte Beamte, ernannte Präfekten, Unterpräfekten und Bürgermeister; er ließ die Emigranten zurückkehren, bekämpfte das Bandenunwesen ebenso wie jakobinische Umtriebe und ließ Rekruten ausheben, um Frankreich für neue Kriege zu rüsten. Denselben Amtseifer erwartete Bonaparte von seinen Untergebenen, zu denen nicht zuletzt Fourier als einer der 83 Departementsvorsteher gehörte. So hatte er vorerst keine Zeit für den wißbegierigen Knaben, was dieser ihm vielleicht verziehen hätte, wenn er gewußt hätte, daß der Mathematiker weder für seine naturwissenschaftlichen Studien nochfür die Niederschrift des Vorworts zur »Description de l’Egypte« Zeit fand.
Aber auch Jean-François war in seiner neuen Eigenschaft als Schüler am privaten Institut des Abbé Dussert mittlerweile sehr beschäftigt. Jeden Morgen trabte er frohgemut in das ehemalige Jesuiteninternat. Nach Absprache mit Jacques-Joseph ließ ihn der Abbé am Syrisch- und Arabisch-Unterricht teilnehmen, wo der Junge in kürzester Zeit den Kenntnisstand der kleinen Schar von Mitschülern erreicht hatte und ihnen bald vorauseilte. Dussert nahm Jean-François zudem in seine Hebräisch-Klasse auf, und als er einsah, daß der Rest der Schüler den gelehrten Diskursen, die sich zwischen ihm und dem gelbäugigen Wunderkind entspannen, nicht zu folgen vermochte, arrangierte er zusätzliche Tête-à-têtes in der unterrichtsfreien Zeit am Nachmittag. Dann beugten sich beide über die hebräische Bibel, und mit vergnügtem Erstaunen lauschte der Geistliche, wie der Eleve Passagen der Heiligen Schrift kommentierte und verschiedene Interpretationsmöglichkeiten althebräischer Worte vorschlug.
Die meisten Mitschüler akzeptierten die Sonderrolle des Neuen, obwohl der sich in der Regel abseits hielt und auch in den Pausen lieber orientalische Schriften las, als sich mit ihnen abzugeben. Vielleicht tröstete es sie ein wenig, daß der siebengescheite Sonderling bei den wenigen mathematischen Lektionen mit denselben Schwierigkeiten rang wie sie selbst, vielleicht hielt sie auch dessen offensichtliche Bevorzugung durch den Abbé von Sticheleien ab.
Einer freilich wollte sich nicht damit abfinden. Er hieß Pascal, war der Sohn eines Obristen der Grenobler Garnison und zwar nicht unbedingt der hellste, dafür aber der mit Abstand stärkste Bursche in der Klasse, was den Respekt begründete, den ihm die Mitschüler zollten – außer Jean-François. Der nahm den etwas groben und lächerlich begriffsstutzigen Kerl, der von einer Militärkarriere träumte und ständig von Krieg und Schlachten schwärmte, überhaupt nicht zur Kenntnis, was diesen mehr wurmte als alle Tadel, die er von den Lehrern erhielt, zusammengenommen. Er begann, schlecht über Jean-François zu reden. Allerdings gingenihm ziemlich schnell die Argumente aus, denn er wußte ja nichts, was er dem schweigsamen Neuling vorwerfen sollte. Er nannte ihn »Gelbauge«, um ihn zu kränken, sprach ihn allerdings nicht direkt an, sondern redete in der dritten Person von ihm. »Seht, da kommt Gelbauge, unser Hebräisch-Genie«, konnte Jean-François ihn lautstark räsonnieren hören, wenn er morgens zum Unterricht kam. »Er hat bestimmt wieder die ganze Nacht in der Bibel gelesen.«
Sei’s drum, dachte der versuchsweise Geschmähte und reagierte nicht darauf. Also fuhr Pascal stärkere Geschütze auf. In einer Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden durchwühlte er Bücher und Hefte des Sonderlings, der gerade dort weilte, wohin selbst Könige zu Fuß gehen, bis er etwas fand, das sich ausschlachten ließ: ein mit Phantasie-Hieroglyphen von Jean-François’ Hand gefülltes Notizheft. »Seht euch das an!« rief er und präsentierte den anderen seinen Fund. »Ich sage euch doch:
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