Der Rausch einer Nacht
Buchse. »Na ja«, sagte sie dann auf dem Weg zur Tür, »in dem Traum ist mir auch so etwas widerfahren.«
Coles Finger erstarrten am dritten Knopf.
Sie hatte keine Ahnung von dem Tiefschlag, den sie ihm gerade versetzt hatte, rauschte aus dem Raum und drehte sich an der Tür noch einmal zu ihm um. »Dein Badezimmer ist gleich dort drüben rechts. Kann ich dir noch irgend etwas holen, bevor ich ins Bett gehe?«
»Ein großes Heftpflaster wäre nett.«
Die junge Frau sah ihn verwirrt an, und ihr Blick wanderte von seinen breiten Schultern über das weiße Hemd und die dunkle Hose bis hinab zu seinen schwarzen Schuhen. »Wofür denn?«
»Für mein Ego.«
In diesem Moment kam es in Dianas Kopf zu einem Kurzschluß. Alle Verbindungen zwischen den Ohren und den Gehirnpartien, die das Gehörte verarbeiteten, wurden unterbrochen. Sie nickte nur, sagte: »Dann wünsche ich noch eine gute Nacht«, und schloß die Tür hinter sich.
Als Diana sich in der Sicherheit ihres eigenen Schlafzimmers befand, bewegte sie sich wie ein Roboter und machte sich rein automatisch fürs Bett fertig.
Unter der Dusche zählte sie alle Artikel in den letzten drei Ausgaben von Beautiful Living auf.
Beim Haarefönen rief sie sich die Namen aller Mitschüler in der siebenten Klasse ins Gedächtnis zurück.
Als sie den Pyjama anzog, stellte sie die Liste ihrer Weihnachtseinkäufe zusammen.
Und als sie vor dem Nachttisch stand und den Wecker stellte, brach sie in Tränen aus.
Diana bewaffnete sich mit einer ganzen Handvoll von Papiertaschentüchern, marschierte zu der Chaiselongue am anderen Ende des Raums, ließ sich darauffallen und ließ den Tränen freien Lauf, die sich schon seit Tagen in ihr angesammelt hatten.
Zum erstenmal, seit sie im Enquirer von Dans Heirat gelesen hatte, gab sie sich dem Selbstmitleid hin. Stürzte sich geradezu hinein. Sie hielt die Hände vors Gesicht, preßte die Tücher gegen die Augen, zog die Knie bis zur Brust an und schaukelte schluchzend vor und zurück.
Diana dachte daran, wie Dan ihr Komplimente über ihren Verstand und ihr Aussehen gemacht hatte. Und wie er durch sein Schweigen Kritik an ihrem Körper und daran geübt hatte, wie sie im Bett gewesen war.
»Bastard!« flüsterte sie und weinte noch mehr.
All die Jahre, die sie verschwendet und hart darum gerungen hatte, ihren Terminplan mit seiner freien Zeit in Einklang zu bringen - nur damit er dann irgend so ein junges Ding heiratete.
»Monster!« heulte sie und schaukelte heftiger vor und zurück.
Dann hatte sie Hals über Kopf Cole Harrison geheiratet.
»Wahnsinnige!« stieß sie schluchzend hervor.
Was war das für eine Hochzeit gewesen, in der sie sich stinkbesoffen kaum noch auf den Füßen hatte halten können und sich mittendrin umgedreht hatte, um das kitschige Spalier neu zu arrangieren.
»Idiotin!« stöhnte sie.
Jetzt mußte sie an Cole denken, wie er ihr durch ihren Kater geholfen und grinsend und gutmütig all die Kapriolen aufgezählt hatte, die sie sich gestern nacht in ihrem betrunkenen Zustand geleistet hatte.
Der Traum, der gar keiner gewesen war, von dem Schlafzimmer in grauem Nebel an Bord eines Gulfstream-Jets, das über den Himmel jagte und endlich aufsetzte -vorbei an den blauen Landungslichtern.
Diana dachte an den Mann, der sich anfangs ihren dämlichen Verführungsversuchen widersetzt hatte - und ihnen schließlich erlegen war. Vorher hatte er ihr deutlich klargemacht - und sie hatte sich einverstanden erklärt -, daß es zwischen ihnen weder zu körperlichen noch zu emotionellen Intimitäten kommen dürfe.
Und doch hatte sie sich ihm bei erster sich bietender Gelegenheit an den Hals geworfen und zu sich herabgezogen. Und weil Cole so freundlich und lieb war, hatte er seine persönlichen Aversionen gegen ein solches Tun verdrängt und ihr zuliebe mitgemacht.
Aber wie hatte sie ihm seine Freundlichkeit, seine Besonnenheit und seine Selbstaufopferung gedankt? Mit einer Beleidigung, die sich durch nichts mehr übertreffen ließ, hatte sie seine Zärtlichkeiten doch mit der schrecklichen Szene aus dem Film Rosemary’s Baby verglichen. Dabei war er doch so empfindlich, wenn man auf ihre unterschiedliche Herkunft zu sprechen kam.
Nicht nur, daß sie vollkommen vergessen hatte, daß sie miteinander geschlafen hatten, sie hatte mit ihrer dummen Bemerkung auch noch zusätzlich Salz in seine Wunden streuen müssen.
Neue Tränen schossen ihr in die Augen. Sie legte den Kopf auf die Knie, und ihre Schultern zitterten
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