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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Betrug, Korruption und Manipulation erworben hatte. Er würde natürlich keine Kontrolle über Alvin haben, aber ganz bestimmt imstande sein, ihn zu täuschen, denn Napoleon wußte sehr wohl, daß nicht nur böse, schwache und ängstliche Menschen davon ausgingen, daß alle anderen genau wie sie waren, sondern auch die Tugendhaften dazu neigten, bei den Taten anderer Menschen stets die edelsten Motive vorauszusetzen. Warum sonst gelang es so vielen schrecklichen Lügnern immer wieder, andere zu betrügen? Würden die guten Menschen den schlechten nicht so sehr vertrauen, wäre die Menschheit schon längst ausgestorben – denn dann hätten die meisten Frauen die meisten Männer nicht mal in ihre Nähe gelassen.
    Sollten die Brüder es allein ausfechten. Wenn irgend jemand die Bedrohung ausschalten kann, die dieser Alvin Smith darstellt, dann sein eigener Bruder, der in seine Nähe kommen kann – aber nicht ich mit all meinen Heeren, all meinen Fähigkeiten. Sollen sie doch kämpfen.
    Aber erst, nachdem mein Bein geheilt ist.
    »Mein lieber Leon, Ihr dürft nicht einschlafen, wenn Ihr Euch so freigestrampelt habt.«
    Es war La Fayette, der vor dem Einschlafen nach ihm sah. Napoleon ließ den Mann die Decke hochziehen. Die Nacht war kühl; es war schön, die zärtliche Besorgnis eines liebevollen Mannes mit großem Verantwortungsbewußtsein, Zuverlässigkeit und Kreativität zu spüren. Ich habe die besten Männer in meinen Händen und die schlechtesten unter meinem Daumen. Ich habe viel mehr aufzuweisen als Gott. Der alte Bursche hat eindeutig den falschen Mann ausgewählt, um seinen einzigen eingeborenen Sohn zu zeugen. Wäre ich statt dieses Dummkopfs Jesus in Jerusalem gewesen, wäre ich nie gekreuzigt worden. Ich hätte Rom in ein paar Monaten unter meiner Kontrolle gehabt und die ganze Welt meiner Doktrin unterworfen.
    Vielleicht war dieser Alvin genau das – Gottes zweiter Versuch! Tja, Napoleon würde helfen, die Geschichte niederzuschreiben. Er würde Alvin Smith seinen Judas schicken.
    »Ihr braucht Euren Schlaf, Leon«, sagte La Fayette.
    »Mir schwirrt der Kopf vor Gedanken«, sagte Napoleon.
    »An schöne Dinge, hoffe ich.«
    »In der Tat, an schöne.«
    »Kein Schmerz in Eurem Bein? Es ist gut, daß Ihr diesen amerikanischen Jungen hier habt, wenn er verhindert, daß Ihr so schrecklich leiden müßt.«
    »Ich weiß, wenn ich Schmerzen habe, ist nur schwierig mit mir auszukommen«, sagte Napoleon.
    »Keineswegs, überhaupt nicht. Denkt nicht mal so etwas. Es ist eine Freude, bei Euch zu sein.«
    »Vermißt Ihr sie je, mein Marquis? Die Heere, die Macht? Regierung, Politik, Intrigen?«
    »Ach, Leon! Wie könnte ich sie vermissen? Ich habe das alles durch Euch. Ich beobachte, was Ihr tut, und staune. Ich hätte es nie so gut tun können. Ich gehe jeden Tag bei Euch in die Schule; Ihr seid ein einzigartiger Lehrmeister.«
    »Wirklich?«
    »Der Meister. Der Meister von allem ist mein lieber Leon. Wie trefflich haben sie Euer Haus auf Korsika genannt, mein Lieber. Buona Parte. Gute Teile. Ihr seid wirklich der Löwe der guten Teile.«
    »Wie nett von Euch, das zu sagen, mein Marquis. Gute Nacht.«
    »Gott segne Euch.«
    Die Kerze zog sich aus dem Raum zurück, und das Mondlicht fiel wieder schwach durch die Vorhänge.
    Ich weiß, daß du mich studierst, Calvin. Während du dein Talent, wie du es so drollig nennst, in meine Beine schickst, um die Ursache für die Gicht zu finden. Hoffentlich bekommst du sie heraus. Sei in dieser einen Hinsicht genauso klug wie dein Bruder, damit ich endlich sowohl dich als auch den Schmerz loswerde.
    Verily hatte in seinem Leben schon einige schlechte Menschen kennengelernt; man hatte ihm gelegentlich große Geldsummen angeboten, damit er sie verteidigte, aber sein Gewissen stand nicht zum Verkauf. Er erinnerte sich an einen von ihnen, der im Glauben, seine Lakaien hätten nicht klargemacht, wie viel Geld er bot, persönlich zu Verily gekommen war. Als ihm schließlich klar wurde, daß Verily es nicht einfach auf ein höheres Honorar abgesehen hatte, schaute er ziemlich verletzt drein. »Also wirklich, Mr. Cooper, warum ist mein Geld nicht so gut wie das aller anderen?«
    »Es hat nichts mit Eurem Geld zu tun, Sir«, sagte Verily.
    »Womit denn? Wie lautet Euer Einwand?«
    »Ich frage mich immer wieder: Was, wenn ich aufgrund eines groben Justizirrtums gewinnen sollte?«
    Der Mann wurde fuchtig, warf ihm üble Drohungen an den Kopf und ging. Verily sollte nie erfahren, ob es

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