Der Rote Mond Von Kaikoura
können?«
»Natürlich! Und ich habe sie gleich etwas größer bauen lassen, denn sicher werden sich die Teleskope in den nächsten Jahrzehnten weiterentwickeln. Ich will nicht, dass meine Nachfolger hier viel umbauen müssen, um ihre modernen Gerätschaften aufstellen zu können.«
Ein Geräusch an der Tür ließ sie innehalten. Henare wollte die Hütte betreten, stoppte dann aber am Eingang und sah sie verwundert an. »Guten Morgen, Sie sind schon auf den Beinen?«
»Meine Enkelin wollte die Baustelle und den Plan der Kuppel sehen. Da kann ich doch unmöglich Nein sagen, immerhin wird sie eines Tages hier arbeiten.«
Lillian errötete, als Henare sie breit anlächelte. »Ich bin sicher, dass sie eine gute Astronomin abgeben wird. Auf jeden Fall wird sie sich von kaum jemandem hereinreden lassen, schätze ich. Ist das richtig, Miss Ehrenfels?«
»Wenn ich einsehe, was ein anderer mir zu sagen hat, werde ich mich schon danach richten. Aber sonst behalte ich mir tatsächlich vor, selbst abzuwägen, was richtig und falsch ist.«
»Das ist meine Lillian!«, rief Georg aus, und als Lillian ihn ansah, erkannte sie den Stolz in seinen Augen. »Aber jetzt wird es wohl Zeit für das Frühstück. Mr Arana, darf ich Sie wohl bitten, meine Enkeltochter nach dem Essen durch den Busch zu geleiten? Sie soll doch wieder heil in Kaikoura ankommen.«
»Sie sind nicht glücklich darüber, dass Sie von der Baustelle fort müssen, nicht wahr?«, fragte Henare, nachdem sie eine Weile schweigend durch den Busch geritten waren.
Als Henare sie ansprach, bemerkte sie erst, dass sie ihre Lippen fest zusammenpresste. »Natürlich bin ich nicht glücklich darüber. Ich kann zwar verstehen, dass mein Großvater mich schützen will, doch ich glaube kaum, dass so viel Schlimmes auf der Baustelle passieren kann. Oder hatten Sie irgendwelche Unfälle in der letzten Zeit?«
»Keine, die nennenswerte Schäden verursacht hätten, doch hin und wieder passiert schon etwas in der Hitze des Gefechts. Und selbst Bagatellunfälle würden Ihren Großvater sicher schrecklich aufregen, wenn Sie davon betroffen wären.«
»In Deutschland haben ich mich auch immer mal wieder verletzt, häufig an Küchenmessern. Glauben sie mir, die sind ebenso gefährlich wie ein paar Nägel.«
Henare lachte auf. »Ja, das kann man nicht von der Hand weisen. Aber ich kann mir vorstellen, dass Ihr Großvater noch einen anderen Grund hat, warum er Sie nicht auf der Baustelle haben will.«
»Und der wäre?«
»Sie würden die Männer ablenken.«
»Wie bitte?« Lillian blickte sich empört um. »Ich bin doch kein Kleinkind, das die Männer mit irgendwelchen Fragen löchert.«
»Eben. Sie sind eine hübsche junge Frau, und ich kann mir gut vorstellen, dass die Unfallrate erheblich ansteigen würde, wenn Sie auf der Baustelle herumliefen.« Als Henare erkannte, dass sie ihre Augenbrauen verwundert zusammenzog, setzte er schnell hinzu: »Die Männer sind teilweise Wanderarbeiter, die während ihrer Jobs nur wenig Gelegenheit haben, eine Frau zu sehen. Ich wollte nicht unverschämt sein, aber es stimmt wirklich. Ihr Aussehen kann einen Mann dazu bringen, Hämmer und Nägel fallen zu lassen, um nur ja einen Blick auf Sie zu erhaschen. Nehmen Sie’s bitte als Kompliment.«
Lillian musste zugeben, dass sie solch ein seltsames Kompliment noch nie erhalten hatte.
»Dann werde ich mich bemühen, Sie und Mr Caldwell später nicht von der Forschungsarbeit abzulenken.«
Ein versonnener Ausdruck trat auf Henares Gesicht. »Ich glaube kaum, dass Mr Caldwell sich von Ihnen ablenken lassen würde. Bei mir ist das schon etwas anderes, aber wenn ich will, kann ich sehr professionell sein.«
Diese Worte und der Tonfall, mit dem er sie aussprach, ließen eine Gänsehaut über Lillians Körper wandern, und ehe sie sich’s versah, fragte sie: »Was halten Sie von Frauen in der Wissenschaft? Glauben Sie, dass es das Richtige für sie ist?«
»Warum denn nicht?«, entgegnete Henare. »Wie man sieht, können Frauen recht passable Wissenschaftlerinnen abgeben.«
»Aha, wie viele davon haben Sie denn schon getroffen?«
»Eine!« Ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Und die hat mich vollends davon überzeugt, dass auch Frauen genug Wissbegierde in sich tragen, um den Wissenschaften nachzugehen.«
Sagt er das jetzt einfach nur so, oder meint er es ehrlich?, ging es Lillian durch den Kopf.
»Wissen Sie, der Grund, weshalb ich meinen Stamm verlassen habe, war der, dass
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