Der rote Salon
am Ende gar wirklich adoptiert hatte, vom rechten Gottes- und Königs- und Geisterglauben ab. Er plante, das zu verkaufen, was ...«
Ich ließ das Blatt sinken, denn Jérôme zischte erneut, und diesmal verstand ich ihn:
»Eine Krone!«
Er hielt die Hand über den Kopf und deutete auf das Loch im Boden. Der Schleier war gefallen, jetzt sah ich die Lösung auch.
»Was?«, fragte der König.
»Was haben Sie gesagt, meine Teure?«, fragte die Kronprinzessin.
»Wie meinten so trefflich?«, fragte der Kronprinz.
»Eine Krone!«, sagte ich erleichtert. »Die Krone des ersten Königs der Franzosen: die Krone der Valois!«
»Potz!«, entfuhr es dem Kronprinzen, und ich sinnierte, da mir die Worte Zelters einfielen:
»Der Duc de Roux soll sie verwahrt haben, doch man hat ihre Existenz bestritten.«
»Wie soll sie denn hierhergekommen sein, werte Marquise?«, fragte die Kronprinzessin.
»Und wo ist sie jetzt?«, wollte die Hausherrin wissen.
Der Inhalt des Briefs war weiter nur in einem Punkte von Belang, den ich noch aufzusparen gedachte. Was die Frage der Kronprinzessin betraf, bedurfte ich keiner Hilfestellungder falschen Anne. Ich entsann mich der letzten Unterredung mit Dampmartin:
»Als seine Tage gezählt waren, übertrug der Duc die Verantwortung über die Krone dem Bruder von Philippe Dampmartin, dem Goldschmied Alphonse Dampmartin! Diesem erschien der Duc noch nach dem Guillotiniertwerden als Geist und mahnte ihn, das Erbe der Könige zu bewahren. Dampmartin, bei der Ehre seines Berufes, dachte nicht im Traum an einen Diebstahl. Er tat sich mit dem Ex-Abgeordneten Gaston Armand Comte de Mâconnais-Rambouillon zusammen, der ebenfalls zu des Ducs Anhängern zählte. Sie flüchteten mit der Krone und brachten sie heil in diese Zuflucht hier.«
Es war kalt geworden im Raum, und meine letzten Worte verhallten wie im Theater, vom kondensierenden Atem umspielt. Es wurde Zeit, die Schlinge zuzuziehen, daher fragte ich Dampmartin ganz unverblümt:
»Sie wussten von der Krone und wollten sie stehlen! Für die Revolution! Um sie einschmelzen zu lassen oder mit mehr Gewinn noch zu verkaufen, wie der Mann es vorhatte, den sie ermorden sollten!«
Dampmartin schüttelte energisch den Kopf und sah Arrat erschrocken an, der daraufhin erklärte:
»Von diesem Geheimnis haben wir nichts gewusst. Der treue Schmied, mein unwerter Bruder, hätte es beinahe mit ins Grab genommen.«
»Wenn was nicht passiert wäre?«, fragte ich zunehmend ungeduldig.
»Wenn Sie nicht eben von ihr erzählt hätten, Marquise ... Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie Sie die Frage von Madame de Grève beantworten werden!«
»Ich auch!«, sagte diese und wiederholte: »Wo ist sie? Ihre angebliche Krone?«
Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen und setzte meine Ausführungen fort:
»Der Beschluss, die Feinde der Revolution zu töten, wo man sie auch träfe, führte Sie, Monsieur Arrat, und Sie, Monsieur Dampmartin, hierher. Und einer von Ihnen, der gern Kaffeebohnen kaut, wenn ihm langweilig ist, stand unten in der Mordnacht, unter einer verschneiten Ulme, und lugte herauf zu den hell erleuchteten Fenstern dieses Salons, während hier die Beschwörung im Gange war und Anne de Pouquet sich die Krone des ersten Königs von Frankreich aufs Haar drückte ...«
Die Offiziere fassten Arrat fester.
»Haben Sie die Morde begangen?«, fragte ich.
»Nein!«, rief Arrat aus.
»Waren Sie allein?«
»Ja. Ich wollte ja nur beobachten, was droben vor sich ging. Dampmartin und ich waren erst einen Tag in der Stadt. Es reichte gar nicht für einen Plan. Wir hatten mit Not herausbekommen, wo das Schwein wohnte!«
»Der Comte?«
»Ja!«
Beatrice de Grève durchmaß den Kreis und ohrfeigte Arrat.
»Erbärmliche Kreatur!«
Arrat ließ ein schmutziges Lachen hören. Der König deutete mit lautlosem Applaus sein
Bravo
an. Die erzürnte Kämpferin für die Gegenrevolution kehrte auf ihren Stuhl zurück.
»Was ist das für eine Verletzung an Ihrem Hals?«, fragte ich. »Bitte nehmen Sie den Verband ab!«
Arrat entfernte sein Tuch, und ein schwacher Bluterguss zeigte sich.
»Ich erhielt einen Schlag.«
»Von wem?«
»Von einem Mann, der das Haus eilig verließ. Ich hörte Schreie zuvor. Gesehen hab ich wenig, nur die Gestalt einer Frau an einem der Fenster. Sie schrie und suchte es zu öffnen – es war die Duchesse, wie man jetzt wohl sagen kann. Ich sah Schatten über die Wände laufen, dann erloschen die Lichter. Ich wollte hinein und sehen,
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