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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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und neugierig zu wirken.
    »Das hat Vor- und Nachteile«, erwiderte er, »aber vor allem Vorteile. Wir fühlen uns verantwortlich füreinander, so was gibt es heute nur noch viel zu selten auf der Welt …« »Wissen Sie, wo es passiert ist?«
    »Hinter der Skeppargatan, auf dem Weg zur Hauptstraße hinaus«, sagte er und zeigte in die Richtung. »Ganz in der Nähe vom Gewerkschaftshaus, das ist das große Gebäude da oben am Waldrand. Früher gingen die jungen Leute mit einer Blume dorthin. Aber jetzt muss ich los …«
    Der Mann wandte sich ab und ging in Richtung Meeresufer davon.
    Annika blieb stehen und sah ihm nach.
    Ich wünschte, ich könnte so leben wie er, dachte sie. Irgendwo zu Hause sein.
    Sie setzte sich ins Auto und fuhr zu dem Platz, den ihr der Mann gezeigt hatte.
    Die Stelle, an der Benny Ekland überfahren worden war, lag nur etwa zweihundert Meter von der Westlichen Wache entfernt, war Von dort aus jedoch nicht einsehbar. Tatsächlich war der Straßen abschnitt aus keiner Richtung zu sehen, wenn man von einem in hundert Meter Entfernung stehenden, etwas heruntergekommenen Mietshaus mit benachbarter Dachdeckerwerkstatt absah. Eine spärliche Reihe gelber Straßenlaternen, von denen einige kaputt zu sein schienen, verbreitete trübes Licht über Absperrungen, Schnee und Morast. Links wuchs ein verwilderter Wald, rechts erhob sich ein Wall mit einem Zaun auf der Kuppe.
    Offensichtlich lag dahinter ein Fußballplatz.
    Sie schaltete den Motor aus und blieb in der Dunkelheit und der Stille sitzen.
    Benny Ekland hatte gerade eine große Artikelserie über Terrorismus verfasst.
    Sein letzter Text handelte von dem Anschlag auf F21. Danach wurde er überfahren, und zwar hier, an der gottverlassensten Stelle von ganz Lulea.
    Sie mochte solche Zufälle nicht.
    Ein paar Minuten später näherte sich, von dem benachbarten Mietshaus kommend, ein Jugendlicher und ging ohne Mütze und mit den Händen in den Taschen langsam zu den flatternden Plastikbändern des Tatorts. Seine gegelten Haare standen vom Kopf ab; Annika lächelte. Kalle, ihr Sohn, hatte kürzlich auch die Segnungen des Haargels entdeckt.
    Der Junge stand jetzt nur noch zwei, drei Meter von ihrem Auto entfernt und starrte ausdruckslos einen kleinen Hügel aus Blumen und Kerzen an, der sich gleich hinter der Absperrung erhob.
    Ihr Lächeln erstarb, als sie erkannte, wie sehr Benny Eklands Tod die Bewohner des Stadtteils getroffen hatte. Alle trauerten. Käme einer ihrer Nachbarn auf die Idee, um sie zu trauern?
    Wohl kaum.
    Sie ließ den Wagen an, um zum Eisenerzhafen zu fahren. Als sie den Zündschlüssel drehte, zuckte der Junge zusammen, als hätte er eine Ohrfeige bekommen, und sie erschrak über seine heftige Reaktion. Mit einem Schrei, der bis ins Wageninnere drang, rannte der Junge zum Haus zurück. Sie wartete, bis er hinter dem Zaun verschwunden war, und ließ den Wagen dann zum Hafen hinabrollen, wo die Polizei das gestohlene Auto gefunden hatte.
    Die Straße war pechschwarz und spiegelglatt und endete in einer Sackgasse mit einem großen Tor, auf dem LKAB stand, das Kürzel des hiesigen Stahlkonzerns.
    Große Kräne, breite Betonkais.
    Sie beschloss, noch einmal zum Unfallort zurückzufahren, und kroch im Schneckentempo voran.
    Als sie an Svartöstadens Dachdeckerwerkstatt vorbeifuhr, warf sie einen Blick auf das Mietshaus und entdeckte die abstehenden Haare des Jungen als schwarze Silhouette in einem Fenster des Erdgeschosses.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken«, murmelte sie vor sich hin. »Warum hast du solche Angst bekommen?«
    Sie hielt bei der Absperrung, stieg aus und nahm die Tasche mit. Dann blickte sie, immer noch beeindruckt, zu Hochofen Zwei hinauf, wandte sich um und starrte in die andere Richtung, aus der ihr der Wind ins Gesicht blies. Die Straße war eine der Zufahrten zum eigentlichen Wohnviertel.
    Annika fischte eine Stablampe aus ihrer Tasche und leuchtete den Boden hinter der Absperrung ab. Die Schneefälle der letzten vierundzwanzig Stunden hatten alle Spuren verwischt, die für einen Laien erkennbar gewesen wären. Das Eis auf dem Asphalt zeigte keine Anzeichen einer Vollbremsung, und selbst wenn es sie eventuell gegeben hätte, wären sie inzwischen ohnehin ausradiert worden.
    Sie leuchtete den Zaun in etwa zehn Meter Entfernung an. Dort war die Leiche gefunden worden. Kommissar Suup hatte Recht gehabt, Benny Eklands letzte Reise musste ein ordentlicher Flug gewesen sein.
    Sie blieb mit der Taschenlampe in der Hand

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