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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Eltern verbunden hatte. Diese würde sie ihm sowieso niemals ersetzen können. Nach einem tiefen Atemzug versuchte sie Jack die Vergewaltigung so zu erklären, dass Jack es verstehen konnte.
    »Am Abend meines achtzehnten Geburtstags bin ich von einem Mann, der für meinen Vater arbeitete, ... überfallen worden«, sagte sie leise und starrte auf ihre Hände hinab, die sie in ihrem Schoß verschränkt hatte. Sie hob nur kurz den Blick. Jack sollte den Schmerz in ihren Augen nicht sehen. Aber sie stellte fest, dass sich in seine neu erwachte Neugier auch Überraschung mischte. »Es war kein netter Mann. Ich hatte ihn schon immer seltsam und böse gefunden, und er trank auch zu viel.« Sie erschauderte. »An jenem Abend war er ebenfalls betrunken und hat mir sehr weh getan. Dann hat er meine Eltern angelogen, und als ich ihnen später erzählen wollte, was wirklich passiert war, haben sie ihm geglaubt.«
    »Aber warum haben sie das getan?«
    Eine sehr gute Frage, dachte Tara, die sie sich auch immerwieder gestellt hatte. »Ich weiß es wirklich nicht, Jack. Meine Mutter hat sich immer viele Gedanken darüber gemacht, was andere Leute von uns dachten. Sie hatte wahnsinnige Angst vor einem Skandal, und mein Vater genoss großen Respekt in der feinen Gesellschaft. Aber ich fand, dass es keine Entschuldigung für ihr Verhalten gab – ich fühlte mich verraten, lief von zu Hause fort und ging nie wieder dorthin zurück.«
    »Wohin bist du denn gegangen? Und wie hast du gelebt?«
    Tara überlegte, was sie antworten sollte, und sagte schließlich: »Ein paar Leute haben mich bei sich aufgenommen. Sie waren nett und freundlich zu mir. Aber mein Leben verlief von diesem Tag an vollkommen anders, so ähnlich wie deines jetzt. Manchmal war es schwierig, und ich wollte nach Hause, aber ich war zu verletzt und viel zu stolz, um zurückzugehen. Außerdem war ich fest davon überzeugt, nicht willkommen zu sein. Jetzt hat meine Mutter mir erzählt, sie hätten schon kurz nach meinem Verschwinden erkannt, dass ich die Wahrheit gesagt hatte, aber da war es zu spät ...« Tara sah, dass Jack genauso traurig wirkte, wie sie sich fühlte.
    »Ich glaube, ich habe gehofft, dass sie mich finden würden, damit wir alles klären konnten – aber das geschah nie. Die Jahre vergingen, und meine Bitterkeit wuchs.« Tara stand auf und ging zur offenen Balkontür hinüber, wo sie mit verschränkten Armen stehen blieb.
    »Wirst du deiner Mutter denn jetzt verzeihen?«, fragte Jack, um kaum hörbar hinzuzufügen: »Ich würde es tun, wenn sie sagt, dass es ihr Leid tut.«
    Tara drehte sich um und sah ihn an. Jetzt wirkte er wieder unendlich traurig. »Ich weiß nicht, ob ich es kann, Jack. Ich habe sie so lange gehasst – fast eine Ewigkeit. Ich weiß, dass meine Mutter meine Vergebung braucht – aber es wäre nicht ehrlich, wenn ich es ihr sage, ohne auch so zu fühlen. Das habe ich ihr erklärt – jetzt bleibt ihr nur, zu warten, aber es kann sein, dass es nie geschieht.« Sie ging zu Jack zurück und setzte sich neben ihn aufs Bett. »Aberder Tod meines Vaters hat mir wieder bewusst gemacht, wie wertvoll das Leben ist, und besonders die Beziehungen zu anderen Menschen. Die Vergangenheit kann ich nicht ändern, aber ich möchte Pläne für die Zukunft machen, mit dir und Hannah.«
    Jack runzelte die Stirn. »Was für Pläne?« Er fürchtete, sie würde ihn fortschicken, vielleicht zu Tante Moyna oder auf ein Internat.
    Tara sah die Angst in seinem Blick und hoffte, dass er sich über ihre Idee freuen würde. »Tante Victoria fährt bald nach Alice Springs, um zu einem Arzt zu gehen und sich eine Brille verschreiben zu lassen. Sie wird bei Mrs. Windspear wohnen, erinnerst du dich noch an sie? Wir sind zusammen mit dem Zug gefahren.«
    Jack nickte schweigend, und seine Miene verfinsterte sich zusehends.
    »Der Sohn von Mrs. Windspear, Marcus, leitet ein Hotel in Alice, aber eigentlich ist er Rechtsanwalt. Ich werde Tante Victoria bitten, mit ihm zu sprechen, weil ich mein Verhältnis zu euch rechtlich absichern will.«
    Jack starrte immer noch finster vor sich hin, und sie erkannte, dass er nicht begriffen hatte, was sie meinte.
    »Ich will dich und Hannah adoptieren, und falls das nicht möglich sein sollte, will ich versuchen, zumindest euer gesetzlicher Vormund zu werden. Wie denkst du darüber, Jack?«
    Jack wirkte immer noch skeptisch. Er verstand zwar, was Adoption bedeutete, aber er hatte wochenlang geglaubt, Tara wollte ihn und Hannah

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