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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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die Kraft dazu gehabt hätte, hätte sie sich bei Virgil erkundigt, wohin sie gegangen waren. Doch die Hitze raubte ihr auch ihre letzten Energiereserven.
    Virgil zauberte einen Schirm hervor, um die beiden älteren Damen vor der brennenden Sonne zu schützen, doch Sorrel sah trotzdem aus, als würde sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Immer wieder hörte Tara, wie der Schaffner die beiden beschwor, aus dem Wasserbehälter zu trinken, den er bei sich trug.
    »Wenn Sie austrocknen, bringt Sie das genauso sicher um wie ein Schlangenbiss«, sagte er.
    »Schlangen?«, rief Sorrel entgeistert. Von nun an achteten beide Frauen bei jedem Schritt genau darauf, wohin sie traten.
    Tara seufzte innerlich auf, als sie Virgil sagen hörte, dass in Australien einige der gefährlichsten Schlangen der Welt lebten.
    »Der Biss einer normal großen ›Eastern Brown‹ bringt einen Menschen in weniger als einer Stunde um. Die ›Todesnatter‹ ist eine sehr schwerfällige Schlange, aber eine zwei Meter lange Mulga kann ein Kind töten ...«
    »Danke für diese interessanten Informationen, Virgil!«, rief Tara ihm zu. »Aber können wir jetzt vielleicht von etwas Erfreulicherem sprechen – vielleicht vom Regen?«
    »Davon haben wir im Moment etwas zu wenig, um darüber zu sprechen«, gab er trocken zurück. »Wenn Sie sich hier draußen verirren, glauben Sie mir, dann wäre ein Schlangenbiss dem Verdursten eindeutig vorzuziehen – zumindest ginge es bedeutend schneller!« Nachdem sie eine halbe Stunde vor sich hin getrottet waren, in der Virgil fast ständig über den Zustand der Gleise geschimpft hatte, blieb er schließlich stehen.
    »Von hier aus können Sie das Hotel schon sehen«, meinte er.Nach und nach hielten alle an, beschirmten ihre Augen mit den Handflächen und starrten in die flimmernde Helligkeit.
    »Ich glaube, ich sehe wirklich etwas«, stellte Tara müde fest. Doch die flirrende Hitze schien das Bild vor ihren Augen zu verzerren. Sie hatte schon einige Male geglaubt, Wasserflächen und bewegte Formen am Horizont zu erkennen, nur um diese Momente später wieder verschwinden zu sehen. Jack setzte Hannah ab, doch sie begann sofort zu weinen, und so hob Tara sie hoch und setzte sie auf ihren Rücken.
    »Ich sehe überhaupt nichts!«, beklagte sich der Junge, während er Tara den Koffer abnahm und sie mit dem Zurechtrücken ihres Huts und dem Kind auf ihrem Rücken beschäftigt war.
    »Ich glaube, ich sehe genau ein Gebäude«, erwiderte sie. »Aber die Stadt besteht doch sicher aus mehreren Häusern, oder?« Ein zweifelnder Blick traf Virgil.
    »Natürlich!«, beeilte er sich zu versichern. Er trug schwer an den Koffern der beiden älteren Damen. Sorrels Köfferchen war zum Glück recht leicht, doch die andere Frau hatte nicht zu den Passagieren der Emerald Star gehört und besaß dementsprechend mehr Gepäck. Virgil bedauerte vor allem Tara, die Hannah auf dem Rücken trug. »Das Hotel ist zweistöckig gebaut, deshalb ist es das einzige Haus, das man sehen kann!«
    Als die Gruppe schließlich in Marree ankam, völlig erschöpft von der immer noch zunehmenden Hitze und so ausgetrocknet wie das Land um sie herum, waren sie abgestoßen von der Hässlichkeit der Stadt. Sie wirkte heruntergekommen und stand, wie alles hier draußen im Busch, in ständigem Kampf gegen den allgegenwärtigen Staub und die Sonne, die kein Erbarmen kannte.
    Die einzige sichtbare Vegetation bildeten die Salzbüsche in der steinigen Wüste, die langsam von der Stadt Besitz zu ergreifen schien und ein oder zwei Athol-Bäume. Tara hatte den Eindruck, dass die Stadt nach dem nächsten oder übernächsten Sturm unter pudrigem, rotem Staub verschwunden sein würde, alles außerdem ›Great Northern Hotel‹, das sich wie ein absurdes Monument über die eintönigen Ebenen um Marree erhob.
    Im Hotel war es zum Glück angenehm kühl, denn die dicken Steinwände isolierten es sehr gut gegen die Hitze. Nach einem Glas Brunnenwasser, das einen seltsamen Beigeschmack hatte, und ein paar recht trockenen Sandwiches begannen sich die Reisenden zu langweilen, und die Kinder wurden unruhig. Also beschloss man, die ›Stadt‹ zu erkunden.
    Im Schatten des Hotels duckte sich ein winziges Postamt; ein Stück zurückgesetzt von der Bahnstrecke standen einige rötliche Arbeiterhäuschen, die unbewohnt wirkten. Nur eine Wäscheleine mit einem verblichenen, staubigen Handtuch daran deutete auf die Anwesenheit von Menschen hin. Neben den Häusern lagerte Altmetall in

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