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Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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Freiheit durch sie hindurch. Sie streckte die Arme zum Himmel und legte den Kopf in den Nacken. Der Himmel über ihr war mit weißen Wölkchen gesprenkelt, und aus der Ferne drang der verlorene Schrei eines Adlers an ihr Ohr. Konnte ein Mensch mehr vom Leben erwarten? Ein glückliches Lächeln legte sich auf Myras Gesicht, und sie spürte, wie die starken Energien der Elemente durch ihren Körper pulsierten.
    Als sie sich zu Chad umwandte, sah sie, dass er sich hingekniet hatte und mit einem Stöckchen verschiedene Symbole in die Erde zeichnete. Dabei sang er leise ein Lied. Myra betrachtete die Symbole genauer und entdeckte einen Fisch, eine gewellte und eine gezackte Linie und einen Kreis mit Strahlen. Sofort änderte sich ihre heitere Stimmung. Schweigend beobachtete sie die Zeremonie und wartete, bis Chad fertig war.
    »Wofür hast du gebetet?«, fragte sie mit ehrfürchtiger Stimme.
    Chad deutete auf die Symbole, die er in die Erde geritzt hatte.
    »Wasser und Berge«, begann er und zeigte auf die gewellte und die gezackte Linie.
    »Das Auge des Schamanen«, er deutete auf den Kreis mit den Strahlen. »Und der Lachs. Er hat eine große Bedeutung für mein Volk. Er gibt uns alles, was wir zum Leben brauchen. Ich habe die allwissenden Geistwesen um Antworten auf unsere Fragen gebeten. Um Antworten, die wir in unserer Welt, in der Welt der Menschen, verstehen können. Der Lachs ist ein Symbol für diese Antworten. Halten wir ihn in Händen, so haben wir alles, was wir brauchen – in diesem Fall all unsere Antworten …«
    Er konnte nicht weitersprechen, weil Myra plötzlich auf ihn zustürzte und ihn hinter ein nahes Gebüsch zog.
    Chad sah sie entgeistert an.
    »Meinst du, dies ist der richtige Ort für …«
    Myra hielt ihm eine Hand vor den Mund und zischte: »Jetzt ist nicht die richtige Zeit für Späße, Chad! Siehst du nicht, wer da gerade auf den Parkplatz fährt?« Sie deutete in Richtung Einfahrt, die Augen vor Schrecken weit aufgerissen.
    Chad folgte ihrem Blick. Soeben rollte ein schwarzer Chrysler auf den Parkplatz und fuhr auf die entlegensten Parkbuchten zu.
    »Simon Morris?«, stieß Chad ungläubig aus. »Wie ist das möglich? Wir haben niemandem gesagt, wohin wir fahren! Er muss einen Sender an meinem Wagen angebracht haben! Aber warum ist er uns dann nicht schon gestern gefolgt?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Myra.
    »Wie auch immer«, meinte Chad, »der Kerl ist hier, und wir müssen uns etwas einfallen lassen, um ihn loszuwerden. Er hat meinen Wagen bestimmt schon erkannt, also weiß er, dass wir in der Nähe sind.«
    »Was können wir tun?«
    Chad wusste keine Antwort. Schweigend beobachteten sie, wie Morris seinen Wagen parkte, ausstieg, sich kurz umsah und schließlich zu Fuß in den Weg einbog, der vom Parkplatz hinunter zum Meer führte. Kurz darauf verschwand er aus ihrem Blick.
    Chad entspannte sich ein wenig.
    »Irgendetwas stimmt nicht«, sagte er. »Aber was …? Wie auch immer, wir sollten versuchen, das zu finden, weshalb wir hergekommen sind – unabhängig von Morris’ Auftauchen. Ich kann mir allerdings überhaupt nicht vorstellen, was das sein könnte.«
    Myra lächelte ihn nachsichtig an.
    »Wir suchen eine Höhle«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich habe dir doch von dem Traum erzählt, den ich in der Zukunft gehabt habe. Du hast Squalath gesehen und ich die Höhle.«
    »Myra, man kann an dieser Küste jahrelang nach einer Höhle suchen, ohne sie zu finden. Wenn wir nicht wissen, wo genau die Höhle sich befindet, werden wir nur unsere Zeit vergeuden«, meinte Chad. Dann fügte er hinzu: »Außerdem habe ich gedacht, dein älteres Ich hätte in dem Traum einen Wald gesehen, nicht das Meer . Und jetzt haben wir auch noch Morris auf den Fersen.«
    Er sah sich vorsichtig um.
    »Morris ist an dem Talisman interessiert. Er bekommt keine Hilfe von Heather, und er vermutet, dass dein älteres Ich – und damit du – etwas weiß. Moment mal … Morris kann doch gar nicht wissen, was in der Zukunft passiert. Warum sollte er uns in der Gegenwart nachstellen? Es sei denn …«
    Myra starrte ihn erschrocken an.
    »Es sei denn, er kann zwischen den Zeiten hin und her reisen … Das würde auch erklären, warum er in der Zukunft und in der Gegenwart gleich alt erscheint.« Dann setzte sie zweifelnd hinzu: »Aber warum reist er dann nicht einfach zum Beispiel in die Zeit, zu der Runa gelebt hat, und holt sich den Talisman?«
    »Wenn er das könnte, würde er es bestimmt tun.

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