Der Ruul-Konflikt 6: Im Angesicht der Niederlage (German Edition)
Beobachter bemerkte, dass sich beide nicht wirklich viel zu sagen hatten.
Der Wagen der Präsidentin, in dem auch Vizeadmiral Elias Coltor mitfuhr, folgte ihnen in nur einer Fahrzeuglänge Abstand. Nur mit Mühe widerstand David dem Drang, sich ständig umzusehen.
Jonathan räusperte sich unangenehm berührt. Schließlich hielt er die Stille nicht länger aus »Sie haben nie erwähnt, dass Ihr Vater …«
»Was ist? Admiral? Das ist für mich ein Thema, das ich eigentlich lieber verdränge. Wir verstehen uns nichts so gut. Schon seit vielen, vielen Jahren. Ist eine lange Geschichte.«
Jonathan schwieg und sah seinen Vorgesetzten auffordernd an, so lange, bis sich David doch zu einer Entgegnung genötigt sah. »Was wissen Sie über meinen Werdegang?«
Jonathan zuckte mit den Achseln. »Nicht übermäßig viel. Sie waren Kampfpilot und an Bord eines Trägers stationiert, bevor Sie zum MAD wechselten.«
David nickte. »Das fasst es auch schon recht gut zusammen. Mein Vater hat diese Entscheidung nie akzeptiert. Für ihn stellte sie einen großen Fehler dar. Mehr noch, sie war für ihn eine Demütigung als Offizier. Er war der Meinung, ich vergeude mein Potenzial.«
»Und diese Meinungsverschiedenheit konnten Sie bis heute nicht klären?«
»Nein. Sie verstehen das vielleicht nicht. Mein Vater hat für Geheimdienste im Allgemeinen und für den MAD im Speziellen nichts übrig. Wenn es nach ihm ginge, hätte ich Karriere bei der Flotte machen sollen. Vor seinem geistigen Auge sah er mich schon, wie ich mein eigenes Schiff kommandiere und irgendwann meine eigene Flotte.«
»Entschuldigen Sie, Colonel, aber Sie haben einiges erreicht, seit Sie beim MAD sind. Das muss Ihren Vater doch stolz machen?!«
»Sollte man meinen …« David stieß ein bellendes Lachen aus, dem jeglicher Humor abging. »Ja, das sollte man wirklich meinen.«
»Sie hatten wirklich keine Ahnung, dass die Kronos Präsidentin Tyler herbringt, nicht wahr?«
»Nein«, erwiderte David wahrheitsgemäß. »Nein, hatte ich nicht.«
David und Jonathan hätten sich wohl nicht mit derlei Gesprächsthemen wie enttäuschte Väter aufgehalten, wenn sie zu diesem Zeitpunkt gewusst hätten, dass die Wagenkolonne der Präsidentin beobachtet wurde.
Der Attentäter senkte mit berechnendem Lächeln das Fernglas. In den Sicherheitsbereich des Kongresszentrums einzudringen, war gar nicht so einfach gewesen. Genauer gesagt, wäre ohne die tatkräftige Hilfe seiner Auftraggeber die Operation bereits an dieser Stelle gescheitert. Der Attentäter war immer noch zutiefst beeindruckt von den Möglichkeiten und Kontakten, die die Kinder der Zukunft selbst hier unterhielten.
Er legte das Fernglas auf den Beistelltisch neben dem Fenster und sah sich in dem luxuriös eingerichteten Zimmer um. Sie hatten ihm sogar ein Zimmer in einem Hotel beschafft, das nur wenige Hundert Meter Luftlinie von dem Hotel entfernt war, in dem die Delegationen untergebracht waren. In der Tat, sehr beeindruckend. Für alle, die hier ein und aus gingen, gehörte er zur Sicherheitsmannschaft, die das Gebiet überwachte. Diese Erklärung sollte für alle, die seine Anwesenheit überhaupt zur Kenntnis nahmen, ausreichen.
Doch hier endete der Einfluss seiner Auftraggeber. Zu engmaschig war das Netz gesponnen, mit dem der MAD die eingeladenen Würdenträger umgab. Dies bedeutete, um näher an die Delegationen heranzukommen, musste er sich etwas einfallen lassen. Und er hatte auch schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie seine nächsten Schritte auszusehen hatten.
Sein Kontaktmann zu den Kindern der Zukunft lümmelte sich auf einem der Sofas und hatte flegelhaft seine Beine (mitsamt Schuhen) auf dem teuren Möbelstück abgelegt, während er die Minibar plünderte.
Bei diesem Anblick verzog der Attentäter angewidert die Miene, brachte sich jedoch wieder rechtzeitig unter Kontrolle, bevor dem Kontaktmann diese Entgleisung auffallen konnte. Zuweilen war es recht ermüdend, um nicht zu sagen peinlich, mit wem man sich auseinandersetzen musste, um sich sein Honorar zu verdienen. Doch die Kinder der Zukunft zahlten gut. Und ihre Herren – die Ruul – zahlten sogar noch besser. Bei dem Gedanken blitzte kurz ein Lächeln in seinem Gesicht auf.
Dass er bereits mit den Ruul gearbeitet und sich ihr Vertrauen verdient hatte, verschwieg er den Kindern der Zukunft wohlweislich. Sie mussten nicht alles wissen. Außerdem hatte er im Auftrag der Ruul schon des Öfteren Mitglieder dieser
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