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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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war. So ging es Wochen und Monate, und die Reihenfolge war immer dieselbe: Kakao, das Klicken des Schlosses, Geräusche, Abschied. Er blieb nie lange, und danach schloss Mama meine Tür wieder auf, während ich so tat, als würde ich schlafen. Ihr erster Satz war immer derselbe: »Hast du gut geschlafen? Ich nehme eben ein Bad.« Und so ging es weiter bis zu ebenjenem Tag, dem 17. September 2004 – es regnete so stark, dass ich die Tropfen unten auf die Straße hämmern hörte –, an dem meine Welt in einem Licht explodierte, als richteten tausend Sonnen gleichzeitig ihre Strahlen einzig auf mein Gesicht, auf meine Augen. Sie stritten sich nebenan im Schlafzimmer, Mama und er. Und später dann im Wohnzimmer. Weil sie so laut schrien, habe ich seine Stimme an diesem Tag ganz deutlich gehört. Und durch das Schreien und den Streit war er von diesem Augenblick an nur noch eine Stimme in meinem Kopf. Die Stimme . Mutter weinte. Sie weinte und schrie ihn an, bis plötzlich alles still war. Eine Stille, die mich beunruhigte und nach ein paar Sekunden dazu brachte, aus dem Bett aufzustehen und mit aller Kraft an der verschlossenen Tür zu rütteln, die aber nicht aufgehen wollte. Ich kniete mich hin, spähte durch das Schlüsselloch – oder war das vor ihrem Schreien? – und sah ihn. Ganz kurz. Den Schuldigen. Sein Gesicht. Seine Haut. Und als ich kurz darauf die Wohnungstür zuknallen hörte, während Mutter unaufhörlich schrie, gelang es mir schließlich – wie ich das gemacht habe, weiß ich bis heute nicht –, die Zimmertür aufzubekommen und in den leeren Flur zu laufen. Ich rannte durch die Küche, eine Schublade stand offen, ins Wohnzimmer zu Mutter. Sie stand da und schrie. Erst bemerkte ich weder das Blut noch das Messer am Boden, vielleicht weigerte ich mich aber auch nur, das alles zu sehen. Dann hob ich das Messer auf, als wollte ich mich vergewissern, dass es wirklich echt war; und dann sah ich auch das Blut, das aus dem Hals meiner Mutter lief. Er hatte sich geöffnet, und auf ganz groteske Weise sah es so aus, als hätte Mutter zwei Münder, einen, der schrie, und einen, der lächelte. Ich ließ das Messer fallen, es rutschte unter das Sofa, und Mutter begann sich zu bewegen. Sie taumelte aus dem Wohnzimmer, ich weiß nicht, ob sie mich sah, während sie ein Gurgeln von sich gab, als würde sie in ihrem eigenen Blut ertrinken. Ich folgte ihr in den Flur, ins Bad, ich wollte ihr helfen, wusste aber nicht, wie, sodass ich nur ihrem verzweifelten Kampf beiwohnen konnte, sich auf den Beinen zu halten. Ein Kampf, der bald auch zu meinem wurde, denn ich rutschte immer wieder in dem Blut aus. Dann sah ich sie aus dem Bad zurückkommen und wusste, dass sie jetzt fallen würde. Seither frage ich mich, was sie im Bad wollte. Auch wenn es verrückt klingt, denke ich manchmal, dass sie ins Bad gegangen ist, um ihr Spiegelbild zu sehen. Als wollte sie sichergehen, dass das alles stimmte, dass man ihr wirklich mit einem Küchenmesser die Kehle durchgeschnitten hatte und dass sie wirklich hier stand wie ein geköpftes Huhn. Denn wie das aussah, wusste ich, nachdem ich ein paarmal zugesehen hatte, wie Papa am Hühnerstall oben am Waldrand ein Huhn geschlachtet hatte. Sie taumelte ziellos herum und gelangte schließlich wieder ins Wohn zimmer. Ich höre noch das Geräusch ihres Fallens, es war so seltsam weich, so resigniert, das Telefon in der Hand. Als ich mich zu ihr setzte, erstarrte ihr Blick, als sie meinem begegnete. Ich habe mich in meinen Träumen wieder und wieder verprügelt, weil ich nicht mehr getan habe, um meine Mutter zu retten, und es hat meinen Schuldgefühlen keinen Abbruch getan, dass sowohl die Psychiater als auch die Psychologen und mein Vater wieder und wieder darauf gepocht haben, dass ich doch erst fünf Jahre alt war und meine Mutter gar nicht hätte retten können. Sie glauben, dass ich deshalb aufgehört habe zu sprechen. Aus Schuld .
    ***
    Als die Tür aufgeht, hoffe ich, dass es Papa ist, der noch einmal zurückkommt. Er ist mein Licht im Dunkeln. Ich denke oft daran – und das tat ich auch schon, bevor der Schuldige Mama umgebracht hat –, dass die einzige Sache, die wirklich von Bedeutung für mich ist, darin besteht, Papa glücklich zu machen.
    Aber es ist nicht Vater. Nur wieder sie, die mit der Zuckerstimme. Sie bringt mir Bücher. Das macht sie manchmal. Ich glaube, Papa hat sie darum gebeten.
    »Wie geht es dir?«, fragt sie, ohne eine Antwort zu erwarten. Stattdessen legt sie die

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