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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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Gesicht im Ravenwood-Jahrbuch … Haha, als würde es jemals dazu kommen , dachte sie mit einem freudlosen Lächeln.
    Und dann entdeckte sie ihn. Den Umschlag, nach dem sie die ganze Zeit gesucht hatte. Sie zog ihn hervor und hielt inne. Sollte sie ihn tatsächlich öffnen? Aber sie musste es wissen. Es war zu spät, um einen Rückzieher zu machen. April drehte den Umschlag um, sodass sein Inhalt herausfiel: Ein Pass – er hatte ihrem Vater gehört, war jedoch an der Ecke abgeschnitten und somit ungültig gemacht worden – und alte Dokumente. Sie nahm das erste in die Hand – ihre Geburtsurkunde. Vater: William, Mutter: Silvia, geboren am Valentinstag, ein süßes kleines Mädchen. Nicht weiter ungewöhnlich. Sie betrachtete das nächste Dokument, ein leicht vergilbtes Blatt Papier mit dem Wort »Geburtsurkunde« am oberen Blattrand. »Silvia Margaret Hamilton, Geburtsdatum: 24. Mai 1969, Vater: Thomas Hamilton« stand in geschwungener Tintenschrift darunter.
    Was stimmt damit nicht ?, fragte die Stimme in ihrem Kopf. Gar nichts. Alles war so, wie es sein soll. Nur mit dem anderen Dokument stimmte etwas nicht. Es war falsch, so schrecklich falsch. Aprils Hand zitterte leicht, als sie es hochhob. Es war deutlich älter, die Knicke im Papier ausgeprägter. Das Format war dasselbe, doch es war in einer Sprache abgefasst, die April nicht lesen konnte. Silvia Mariutza Vladescu stand in der Namenszeile; Geburtsort: »Vatra Domei, Rumänien«, und dann kam das Geburtsdatum. Die Zahlen und Buchstaben verschwammen vor Aprils Augen: 24. Mai 1936.
    1936 . Gab es vielleicht noch eine zweite Silvia? Ihre Mutter vielleicht? In manchen Kulturen war es durchaus üblich, dass Kinder nach ihren Eltern benannt wurden. Aber April wusste, dass das nicht der Grund war. Sie wusste es einfach.
    Wie in Trance stand April auf, die Papiere zwischen ihren tauben Fingern, und ging hinaus und die Treppe hinunter. Geräusche drangen aus Silvias Zimmer, das vertraute »Tssst« ihrer Haarspraydose, das Knarzen des Stuhls, als sie sich vor ihre Frisierkommode setzte. April trat, ohne zu klopfen, ein.
    »Oh, hallo, Schatz«, sagte Silvia und beugte sich zum Spiegel vor, um ihr Make-up aufzutragen. »Ich habe dich durch den Lärm des Föhns gar nicht kommen hören.«
    April stand da, unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Was sollte sie sagen? Es war, als stünde sie vor einem gewaltigen Abgrund, während der Boden unter ihren Füßen zu bröckeln begann. Silvia, die ihr Schweigen endlich registrierte, drehte sich auf ihrem Stuhl um. »Stimmt etwas nicht?«, fragte sie, ehe ihr Blick auf die Blätter in Aprils Hand fiel. Sie runzelte die Stirn.
    Langsam hob April den Arm und ließ die Dokumente aufs Bett fallen, während sie zusah, wie sich Silvias Augen weiteten.
    »Wo hast du die …«, begann sie, doch April schnitt ihr das Wort ab.
    »Wieso?«, fragte sie. »Wieso hast du es mir nicht gesagt? Wie konntest du es all die Jahre vor mir geheim halten? Du und Dad … wie konntet ihr?« Eigentlich hatte sie erwartet, in Tränen auszubrechen, doch stattdessen war ihr Inneres wie betäubt.
    Eine gefühlte Ewigkeit lang sagte Silvia kein Wort.
    »Wir wollten dich beschützen«, erklärte sie schließlich leise. »Das ist alles.«
    »Aber wie?«, schrie April. »Wie wolltet ihr mich beschützen? Indem ihr mich in dem Glauben gelassen habt, ich sei menschlich? Indem ihr so getan habt, als würde die reale Welt« – sie deutete auf die Dokumente – »als würde diese Welt hier nicht existieren?«
    »Was wäre gewesen, wenn wir es dir gesagt hätten?«, sagte Silvia. »Du glaubst doch nicht etwa, dass du es für dich behalten hättest. Kein Kind würde so etwas jemals schaffen.«
    »Ich bin aber kein Kind mehr!«, schrie April, während die Wut in ihr zu brodeln begann. »Wie oft hättest du mir seit unserem Umzug hierher sagen können, was los ist? Denkst du nicht auch, ich hätte besser auf mich aufpassen können, wenn ich gewusst hätte, dass ich die Tochter einer Vampirin bin?«
    Die Tochter einer Vampirin.
    Die Worte schienen von den Wänden widerzuhallen, wieder und wieder. Und kaum waren sie über ihre Lippen gekommen, fanden all die fehlenden Puzzleteilchen auf einmal ihren Platz. Die fehlenden Fotos, Silvias Unlust, vor der Mittagszeit aufzustehen, ihre unvermittelten Temperamentsausbrüche. Oh Gott, sie ist eine Vampirin. Meine eigene Mutter ist eine Vampirin. Sie war es die ganze Zeit gewesen, vor Aprils Nase. Plötzlich wurde ihr

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