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Der Schlitzer

Der Schlitzer

Titel: Der Schlitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ich…?«
    »Bitte sehr.«
    Aus einem Schrank holte Lucy Freeman eine Flasche Martini. Sie kippte ein Wasserglas halbvoll und trank. Ich hatte Zeit, mir meine Gedanken zu machen. Noch immer wunderte ich mich darüber, daß so das Haus eines nicht gerade armen Privatgelehrten aussah. Ich kam einfach nicht damit zurecht. Es machte auf mich beinahe einen unbewohnten Eindruck, auch vergleichbar mit einem Refugium, das nur teilweise bewohnt wurde, ansonsten aber leerstand.
    Sie trank wieder und schaute mich über den Glasrand hinweg an. Als sie das Gefäß absetzte, zitterten ihre Finger leicht, und ich dachte über den Grund nach.
    Hatte die Frau etwas zu verbergen? War sie nervös? Schwer feststellbar, aber etwas anderes beunruhigte mich noch mehr. Es war die ungewöhnliche Ruhe im Haus. Ich hörte einfach nichts. Die Stille blieb wie eine bedrückende Last oder schwebte als Gespenst zwischen den vier Wänden und der blassen Decke.
    Die Lampe gab auch nicht viel Licht. Sie machte die Umrisse allerdings weich. Ich hörte auch nichts von einer zweiten Person, dieses Haus atmete weiterhin eine beklemmende Stille aus. Trotz der Wärme überlief mich ein leichtes Frösteln.
    Lucy Freeman schaute mich aus ihren durch die Brillengläser vergrößerten Augen an. Sie fuhr mit der Zungenspitze über die Lippen, bevor sie fragte: »Was wollen Sie denn von meinem Bruder, Mr. Sinclair?«
    Ich lächelte ihr freundlich zu, meine Antwort blieb aber hart. »Natürlich kann ich verstehen, daß Sie darüber gern Bescheid gewußt hätten, aber ich muß Sie enttäuschen. Das möchte ich Ihrem Bruder doch gern selbst sagen.«
    Sie nickte. »Das sehe ich ein. Nur haben mein Bruder und ich keine Geheimnisse voreinander, und er ist im Moment nicht da. Ich dachte, daß ich Ihnen möglicherweise helfen kann.«
    »Sind Sie denn über seine Arbeiten informiert?«
    »Ein wenig schon.«
    »Das habe ich nicht gewußt.«
    »Es ist auch nicht schlimm, Mr. Sinclair.« Sie lehnte sich zurück und legte die Hände flach auf die Sessellehne. »Sie sind Polizist, sogar ein Yard-Beamter. Da Sie meinen Bruder sprechen wollen, brauchen Sie doch sicherlich einen Rat.«
    »So könnte man es nennen.«
    Lucy Freeman fragte jetzt direkt. »Geht es dabei um ein Verbrechen, Mr. Sinclair?«
    »Das ist so.«
    »Mord, nehme ich an.«
    »In der Tat.«
    »Und mein Bruder hat damit zu tun?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Miß Freeman, so dürfen Sie das nicht sehen. Ich habe nicht behauptet, daß Ihr Bruder damit zu tun hat, ich möchte nur mit ihm reden und ihm ein paar Fragen stellen. Ich brauche gewissermaßen seinen Rat.«
    Lucy Freeman nickte und griff in die rechte Tasche, die an ihrem Kleid angenäht worden war. Sie holte Zigaretten hervor und zündete sich ein Stäbchen an. Ich schob ihr den bunten Aschenbecher über dem Tisch zu, der in meiner Nähe gestanden hatte. Sie nahm den Faden wieder auf. »Wenn Sie einen Rat brauchen, ist mein Bruder möglicherweise für Sie der richtige Mann. Wer ist denn in den Mord verwickelt? Einer seiner Bekannten, Freunde oder Patienten?«
    »Es wird sich noch herausstellen, in welch einem Verhältnis er zu dem Opfer gestanden hat.«
    Sie rauchte zwei Züge und stäubte die Asche ab. »Sie wissen sicherlich, womit sich mein Bruder beschäftigt.«
    »Er ist Verhaltensforscher.«
    Sie nickte bei ihrer Antwort. »Da haben Sie schon recht, Mr. Sinclair. Aber mein Bruder ist mehr, viel mehr. Nicht nur Verhaltensforscher. Er ist Psychologe, er ist Philosoph, er ist Naturwissenschaftler, er ist ein Denker.«
    »Und er arbeitet privat«, sagte ich.
    »Ja, das ist richtig. Er wohnt hier allein, weil er seine Ruhe braucht. Ich bin nur an drei, manchmal vier Pagen in der Woche hier und sorge für ihn. Ich koche, wasche seine Wäsche, denn um derartig profane Dinge kann er sich nicht kümmern. Seine Welt ist eine andere, eine ganz andere.«
    »Das glaube ich Ihnen.« Diesmal griff ich in die Tasche und holte das Bild hervor. Ich legte es auf den Tisch. Als Lucy hinschaute, wollte ich von ihr wissen, ob das ihr Bruder wäre.
    Sie schaute sich das Foto an. »Ja, das ist er. Sie haben recht, das ist mein Bruder.« Ruckartig hob die Frau den Kopf. »Woher haben Sie das Foto? Ich kenne das nicht.«
    Ich winkte ab. »Wir haben es bekommen.«
    »Aha.«
    Ich kam wieder auf seine Forschungen zu sprechen und sagte, daß Verhaltensforschung ein weites Gebiet sei.
    »Da haben Sie recht.«
    Sie ließ mich etwas hängen, so daß ich mich gezwungen

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