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Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Titel: Der Schnee war schmutzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Zigarre ab.
    »Na, nun schieß mal los.«
    »Ich bin gern bereit, Ihre Fragen zu beantworten.«
    »So. Welche Fragen denn? Ich wette, du weißt es selber nicht.«
    »Nein.«
    »Weißt du nicht, was du getan hast?«
    »Ich weiß nicht, was man mir vorwirft.«
    »So, so.«
    Das ist ein Tick. Bei jeder Gelegenheit sagt er das auf komische Art.
    »Du möchtest wissen, was wir wissen wollen. So, so. Stimmt’s?«
    »Das stimmt.«
    »Weil du vielleicht noch mehr weißt.«
    »Ich weiß nichts.«
    »Gar nichts. Du weißt gar nichts. Trotzdem hat man das in deinen Taschen gefunden.«
    Einen Augenblick ist Frank darauf gefaßt gewesen, den Revolver aus der Schublade, in die der Offizier die Hand gesteckt hat, auftauchen zu sehen. Er ist leichenblaß geworden. Er spürt, daß man ihn beobachtet. Er blickt nur widerwillig auf die Hand des anderen und ist ganz erstaunt, als er das Banknotenbündel erkennt, das er in der Tasche getragen und jedermann gezeigt hatte.
    »So! Und das ist gar nichts, nicht wahr?«
    »Es ist Geld.«
    »Ja, es ist Geld. Viel Geld.«
    »Ich habe es verdient.«
    »So, du hast es verdient. Wenn man Geld verdient, bekommt man es immer von jemandem oder von einer Bank. Stimmt’s? Und ich möchte nun wissen, wer dir das Geld gegeben hat. Es ist einfach und leicht. Du brauchst mir nur den Namen zu sagen. So!«
    »Ich kenne ihn nicht.«
    »Du weißt nicht, wer dir das viele Geld gegeben hat?«
    »Ich habe es von verschiedenen Seiten bekommen.«
    »Was du nicht sagst!«
    »Ich handle.«
    »Was du nicht sagst!«
    »Man bekommt hier und dort Geld. Man wechselt Scheine und merkt sich nicht, wer …«
    Aber auf einmal ändert der Offizier den Ton, stößt die Schublade zu und sagt dann streng: »Nein.«
    Sein Gesicht wirkt wütend und drohend. Einen Augenblick glaubt Frank, daß er ihn ohrfeigen will, weil er um den Schreibtisch herum auf ihn zukommt und ihm von neuem die Hand auf die Schulter legt. Er will ihn damit zwingen, aufzustehen, während er wie zu sich selbst weiterspricht.
    »Das ist irgendwelches Geld, nicht wahr? Man bekommt es hier und dort und steckt es in die Tasche, ohne sich die Mühe zu machen, es anzusehen.«
    »Ja.«
    »Nein!«
    Die Kehle schnürt sich Frank zu. Er weiß nicht, worauf der Offizier hinaus will. Er spürt eine unbestimmte, geheimnisvolle Drohung. Achtzehn, fast neunzehn Tage hat er immerzu nachgedacht. Er hat versucht, alles vorherzusehen, aber nun kommt alles anders, als es hätte kommen müssen. Plötzlich fühlt er sich in eine andere Welt versetzt, der gegenüber die Schule und der Chef mit der Brille fast beruhigend wirken. Dabei hat er eine Zigarette im Mund und hört im Zimmer nebenan eine Schreibmaschine klappern und Schritte auf den Fluren.
    »Sieh dir das genau an, Friedmaier, und sag mir, ob das immer noch irgendwelches Geld ist.«
    Er hat einen Geldschein vom Schreibtisch genommen, zieht Frank ans Fenster, wobei immer noch eine seiner Hände auf Franks Schulter liegt, und hält den Geldschein so, daß man hindurchsehen kann. »Komm näher. Hab keine Angst. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Warum kommen ihm diese Worte noch drohender vor als das Klatschen der Schläge, das er am ersten Tag im Büro des Chefs hörte?
    »Sieh genau hin. In die linke Ecke. Da sind ganz kleine Löcher. Sechs winzige Löcher. So! Und die kleinen Löcher bilden eine Zeichnung. Und auf allen Scheinen, die du in der Tasche hattest, und auf denen, die du ausgegeben hast, befanden sich solche Löcher.«
    Frank verschlägt es die Stimme. Er ist keines Gedankens mehr fähig. Es ist, als öffnete sich plötzlich vor ihm dort, wo er es am wenigsten erwartet hatte, ein gähnender Abgrund.
    »Ich weiß nicht.«
    »Du weißt nichts, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Und du weißt auch nicht, was diese kleinen Löcher bedeuten? So! Du weißt es nicht!«
    »Nein.«
    Das ist wahr. Er hat nie etwas davon gehört. Er hat den Eindruck, daß allein die Tatsache, die Bedeutung dessen zu kennen, was der Offizier die kleinen Löcher nennt, ihn stärker belasten würde als irgendein Verbrechen. Er will, daß man ihm in die Augen sieht, daß man darin seinen guten Glauben, seine unbedingte Ehrlichkeit liest.
    »Ich schwöre Ihnen, ich weiß es nicht.«
    »Aber ich, ich weiß es.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich weiß es, und darum muß ich wissen, wo du die Scheine her hast.«
    »Ich habe Ihnen gesagt …«
    »Nein!«
    »Ich versichere Ihnen …«
    »Die Scheine sind gestohlen.«
    »Nicht von mir.«
    »Nein!«
    Wie

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