Der Schnee war schmutzig
zurückkommen müssen.«
Im Anfang glaubte Frank, das seien nur leere Redensarten, die ihn einschüchtern sollten. Er konnte sich nicht vorstellen, sein Tun und Lassen sei für den Chef so wichtig, daß er einen so komplizierten Apparat in Gang setzte, wie er es offensichtlich tat.
Am erstaunlichsten war, daß der Chef von seinem Standpunkt aus nicht unrecht hat. Er weiß, worauf er hinaus will. Er weiß es besser als Frank, der erst beginnt, Hintergründe zu entdecken, von denen er nie etwas geahnt hatte.
In diesem Haus gebraucht man keine leeren Redensarten. Man blufft nicht. Wenn der Chef sagt: »Wir werden noch einmal darauf zurückkommen müssen«, dann wird er noch mehr tun. Arme, dumme, dicke Berta.
Dennoch empfindet Frank weder für sie noch für irgend jemand wirkliches Mitleid. Er ist darüber hinaus. Er grollt ihr nicht und verachtet sie nicht. Er ist ohne Haß. Er betrachtet allmählich manche Menschen mit den Fischaugen des Chefs wie durch die Glasscheibe eines Aquariums.
Den Beweis dafür, daß der Chef nichts nur so hinsagt, hat er bekommen, als von Kromer die Rede war. Das war ganz im Anfang, als er noch nicht begriffen hatte, und sich einbildete, es genüge, wie bei dem Offizier mit dem Lineal, nein zu sagen.
»Kennen Sie einen gewissen Kromer?«
»Nein.«
»Sind Sie nie jemandem dieses Namens begegnet?«
»Ich kann mich nicht entsinnen.«
»Er verkehrt aber in denselben Lokalen wie Sie, denselben Restaurants, denselben Bars.«
»Das ist möglich.«
»Sind Sie sicher, daß Sie nie mit ihm bei Timo Sekt getrunken haben?«
Man baut ihm eine Brücke.
»Ich habe mit so vielen Leuten bei Timo getrunken, auch Sekt.«
Das war unvorsichtig. Er merkte es sofort, aber es ist schon zu spät. Der Chef kritzelt etwas auf ein Stück Papier. Für einen Mann seines Alters und seiner Stellung wirkt das fast lächerlich. Aber keiner dieser Zettel geht verloren, und keiner kommt nicht zu gegebener Zeit wieder zum Vorschein.
»Kennen Sie ihn auch nicht unter seinem Vornamen Fred? Gewisse Leute sind an gewissen Orten nur unter ihrem Vornamen bekannt. Es gibt zum Beispiel eine Menge Menschen, die Sie sozusagen täglich gesehen haben, aber nicht wissen, daß Sie Friedmaier heißen.«
»Das ist nicht das gleiche.«
»Ist es auch bei Kromer nicht das gleiche?«
Alles zählt. Alles ist von Bedeutung und wird registriert. Er verbringt zwei erschöpfende Stunden damit, seine Beziehungen zu Kromer ohne Grund zu leugnen, nur weil er überhaupt nichts zugeben will.
Am nächsten Tag und den folgenden Tagen ist von Kromer nicht mehr die Rede. Er glaubt schon, man habe ihn vergessen. Aber dann mitten in einem Nachtverhör, als er buchstäblich schwankt, die Augen ihm brennen und man ihn absichtlich stehen läßt, zeigt man ihm eine Amateuraufnahme, auf der er zusammen mit Kromer und zwei Frauen zu sehen ist. Sie haben ihre Jacken ausgezogen. Es sieht sehr nach Landpartie aus. Kromer hält es für nötig, seine dicke Pratze auf die Brust seiner blonden Freundin zu legen.
»Kannten Sie ihn nicht?«
»An seinen Namen erinnere ich mich nicht mehr.«
»Auch nicht an die Namen der Mädchen?«
»Wenn ich mich an die Namen aller Mädchen erinnern sollte, mit denen ich gerudert habe …«
»Die eine da, die Brünette, heißt Lili.«
»Ich glaube es Ihnen.«
»Ihr Vater ist städtischer Angestellter.«
»Das mag sein.«
»Und ihr Begleiter ist Kromer.«
»So?«
Er erinnerte sich wirklich nicht mehr an das Foto, das er nie in der Hand gehabt hatte. Er weiß nur, daß sie an jenem Tag zu fünft waren, zwei Frauen drei Männer, was nie besonders gutgeht. Aber das hilft ihm auch nicht aus der Patsche. Zum Glück war der dritte meist mit Fotografieren beschäftigt. Er hat auch gerudert. Wenn Frank dem Chef seinen Namen sagen wollte, könnte er es mit dem besten Willen nicht.
Dies beweist, wie gründlich sie nachforschen. Gott weiß, wo sie das Foto entdeckt haben. Haben sie bei Kromer eine Haussuchung gemacht? Es wäre merkwürdig, daß Frank das Foto nie gesehen hätte, wenn es sich in der Wohnung befand. Vielleicht haben sie es bei dem dritten gefunden oder bei dem Fotografen, der den Film entwickelt hat.
Daß der Chef so verfährt, ist gerade das Gute an ihm; es ermutigt Frank und läßt ihn Hoffnung schöpfen. Der Offizier hätte ihn zweifellos sofort erschießen lassen, um sich seiner zu entledigen und sich das Leben nicht schwerzumachen. Dieser dagegen läßt ihm Zeit.
Um die Wahrheit zu sagen, er ist davon
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