Der Schönheitschirurg
keinen Erfolg. Er konnte nichts dagegen tun, er mußte Hahn auf dem Mist sein. Er war sogar recht eifersüchtig auf seinen Sohn Desmond gewesen, als eines Nachmittags, bevor er nach Amerika fuhr, das Dienstmädchen kam und sich über seine Verführungsversuche beklagte, die schon an Vergewaltigungen grenzten. Er fegte die Akten von seinem Schreibtisch auf den Boden. Er würde von neuem anfangen, einen anderen anlernen. Der temperamentlose kleine Tom war ohnedies nervenaufreibend gewesen. Er erinnerte sich, daß er für diesen Abend für Stella Garrod ein Bett in der Klinik brauchte. Jetzt mußte er das selbst veranlassen, was schrecklich lästig war. Wie dem auch war, er mußte sich beeilen, nach Blackfriars zu kommen. Er hatte eine lang bestehende Verabredung mit Lilly.
Im Hospital sprachen alle über den bevorstehenden Krieg. Frisch aus der sicheren Entfernung Amerikas zurückgekehrt, war er über diese Haltung erstaunt — die Leute schienen nicht nur zu erwarten, daß die Kampfhandlungen ausbrechen würden, sondern auch kaum von etwas anderem zu sprechen.
«Bangemacherei», tat er es John Bickley gegenüber im Narkoseraum des Arlott-Flügels ab. «Die Amerikaner glauben nicht, daß etwas daraus werden wird. Dort drüben kann man sich eine wohlausgewogene Meinung bilden.»
«Du glaubst also, daß Hitler nur blufft?» fragte John fröhlich. Er öffnete langsam das Ätherventil des Narkoseapparats, während seine Patientin unter Lachgas in die Bewußtlosigkeit glitt.
«Natürlich», versicherte Graham. «Er könnte unmöglich wegen der Tschechoslowakei einen Krieg anfangen. Er hat kein Geld, keine Vorräte, und alle seine Ärzte sind in Hampstead.»
Es befriedigte ihn zu sehen, wie aufgeregt alle über seine Rückkehr waren - sein neuer Oberarzt, der Turnusarzt, den er immer noch mit der Orthopädie teilte, seine Operationsschwester, sogar die beiden Schwestern, die mit langstieligen Cheadle-Zangen herumeilten und sterile Instrumente aus dem kochenden Wasser fischten. Graham konnte während einer Operation alle zur Verzweiflung bringen, da sein üblicher Charme von der Konzentration auf seine Arbeit verdrängt wurde. Aber er entschuldigte sich immer hinterher, und jedenfalls war er ihr «Chef», ein behender Zauberer, auf den man stolz sein konnte, ihr Eigentum und ihr anerkannter Kommandant. Als John Bickley die Patientin hereinschob, sagte er: «Hoffen wir, daß wir Lilly jetzt zum letztenmal da haben. Wir werden froh sein, wenn wir einander nicht mehr sehen.»
«Der letzte Hautlappen wuchs jedenfalls traumhaft gut an.»
«Sie trinkt wahrscheinlich immer noch?»
«Nach der Äthermenge zu schließen, die ich ihr geben mußte, ja.»
Graham betrachtete das Gesicht, die Schultern und die Brust, die vor ihm lagen. Vom Original schien nichts mehr übrig zu sein. Lilly war eine Trinkerin in mittleren Jahren gewesen, fett und häßlich und wie viele andere Säufer dazu bestimmt, irgendwann einmal in ihren Wohnzimmerkamin zu fallen. Als sie vor drei Jahren im Blackfriars Hospital erschien, von der Taille aufwärts schwarz verkohlt, fanden die Chirurgen den Fall so hoffnungslos, daß sie sie einfach zum Sterben in ein Nebenzimmer legten. Graham hörte zufällig während des Essens von ihr und fragte, ob er sie sehen könne, eine Bitte, die Mr. Doxy, ihrem zuständigen Chirurgen, typisch anmaßend vorkam. Aber er stimmte zu. Schließlich konnte ihr kein Arzt auf dieser Erde helfen, und in ein paar Stunden würde sie die Auswahl zwischen allen Ärzten im Himmel haben.
Graham brachte Lilly in seine eigene Abteilung und begann mit der Arbeit. Seit Maria in die Anstalt gekommen war, hatte sich Graham für die reparative Seite der plastischen Chirurgie mit dem Enthusiasmus eines Haileybury, wenn auch nicht mit dessen Ausschließlichkeit, interessiert. Dafür liebte er die leichten Honorare der Eitelkeit zu sehr. Er hielt Lilly irgendwie mit Transfusionen und Sauerstoff am Leben, dann begann er, Haut von ihren plumpen Beinen auf die offenen Brandwunden zu übertragen. Je öfter er operierte, um so mehr war er von ihrem Fall besessen. Es war eine schwierige technische Übung, und nur er war dazu fähig. Er war stolz auf den heilenden Körper, so wie er auf die verbrannten Kinder stolz war, die er kostenlos und für geringe berufliche Anerkennung am Blackfriars und am St. Sebastian’s Hospital wiederherstellte. An die Frau selbst dachte er kaum. Die Verbrennungschirurgie interessierte ihn sehr, verbrannte Patienten
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