Der schwarze Magier
Glücks vermittelte, dass er der Prinzessin im Geiste dankte für dieses Geschenk. Ob Aimee wusste, was ihr nicht vergönnt war? Oder beherrschten etwa alle arabischen Männer diese Liebestechnik? Irgendwann würde er Yasmina danach fragen. Im Augenblick aber schwemmten alle seine Gedanken in der Honigsüße dieser Nacht fort.
Yasmina blieb bei Rupert, solange er den Wunsch nach ihrer Anwesenheit verspürte. Er hatte nichts dagegen und zum ersten Mal freute er sich, nach der Arbeit im Hospital und den Studien in der Bibliothek in seine Gemächer zu kommen und von Yasmina verwöhnt zu werden. Mit Erstaunen stellte er fest, dass Yasmina nicht nur schön, anschmiegsam und in allen Liebestechniken bewandert war, sondern auch kluge Unterhaltung zu führen wusste. Zwar konnte sie nicht lesen und schreiben, aber sie kannte wunderschöne Erzählungen, Märchen, Legenden und wahre Begebenheiten aus der Vergangenheit, schilderte alles mit ihrer blumigen und an Vergleichen reichen Sprache, dass Rupert ihr hingerissen lauschte. Er tauchte ein in diese verwirrende, prachtvolle, bunte und lebendige Welt des Orients. Und es gab ein Paradies, das hieß Yasmina. Sie kannte unerschöpflich viele Abarten des Liebesspiels, bereitete ihm die Wonnen eines verloren geglaubten Paradieses, ließ ihn vergessen, dass vor den Mauern der Stadt der Krieg tobte.
Die Tage verbrachte Rupert zusammen mit Ahmed im Krankenhaus. Seit er Ahmed in die Andere Welt entführt hatte, wich der junge Arzt nicht mehr von seiner Seite. Jetzt war es an dem gelehrigen Moslem, von Rupert zu lernen.
Moses Maimonides hatte seinen Groll gegen Rupert unterdrückt und begleitete ihn ebenfalls durch seine Studien der arabischen Medizin. Rupert verbrachte viel Zeit in der riesigen Apotheke des Hospitals, wo er viele neue Kräuter und Medikamente, Rezepturen und Behandlungsmöglichkeiten kennen lernte. Im Gegenzug behandelte er einige Patienten unter Hypnose, versetzte sie in Trance, um Nervenleiden zu heilen, und benutzte seine Hände, um Schmerz aus dem Körper zu ziehen und neue Kraft zu spenden. Moses Maimonides war von Ruperts erstaunlichen Fähigkeiten gefesselt, aber er spürte auch, dass es nicht allein das war, was die Faszination dieses schwarzen Mannes ausmachte.
Eines Tages lud Moses Rupert zu sich nach Hause ein. Der jüdische Arzt wohnte nicht, wie Rupert, im Palast des Sultans, sondern in einem angemieteten Haus im jüdischen Viertel von Jerusalem. Moses hatte einen Diener geschickt, der Rupert vom Palast abholte und durch das Gassengewirr von Jerusalem führte, bis sie an dem kleinen, aber soliden Häuschen ankamen, in dem Moses lebte.
Zu Ruperts Überraschung war das Innere jedoch prachtvoll ausgestattet und zeugte von Moses’ Reichtum und seinem großen Einfluss an Saladins Hof. Es war umso erstaunlicher, da es Rupert zu Ohren gekommen war, dass der jüdische Arzt auch eine Schrift gegen die Moslems verfasst hatte. Überhaupt befasste sich Maimonides mehr mit Philosophie und Religion als mit Medizin, was Rupert jedoch nicht als gegensätzlich ansah. Er war neugierig, mit dem weisen Moses zu plaudern, wenngleich er ihm sein Interesse nicht offen bekundete. Es war ein Taktieren, ein Abtasten und Rupert freute sich auf diesen Kampf des Geistes und der Zunge.
Die Möbel waren erlesen und wertvoll, die Ottomanen zwar arabisch, aber bequem. Auf einer Kommode aus dunklem Holz stand eine Menora, der siebenarmige Leuchter der Juden. Moses bat ihn, Platz zu nehmen, und bot ihm Tee an.
»Ich hoffe, Ihr fühlt Euch auch in einem jüdischen Haus wohl, wo Ihr doch keiner der großen Religionen angehört. Ich kann mir nicht recht vorstellen, ohne Gott zu leben.«
»Ich lebe nicht ohne Gott«, erwiderte Rupert höflich und blickte in Maimonides’ kluges Gesicht. »Aber ich glaube nicht an einen personifizierten Gott, der das Racheschwert schwingt und zum Krieg gegen sich selbst aufruft. Ich denke, die Menschen machen sich Gott nach ihrem Bilde.«
»Erst vor einem Jahr habe ich ein umfassendes Werk vollendet, das sich mit diesen Fragen beschäftigt. Wisst Ihr, de Cazeville, auch die Juden haben ihren Gott, der sie verlassen zu haben scheint.«
»Glauben denn die Juden nicht auch an den einzigen Gott wie die Christen und die Moslems?«
Moses Maimonides lehnte sich zurück und betrachtete Rupert unter gesenkten Lidern hervor. »An Gott glauben ist nur ein Teil. Die jüdische Religion ist ein philosophisches Lehrgebäude, das durch rationale Beweise abgesichert
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