Der Schwarze Mandarin
müssen«, sagte sie endlich. »Du bist ein Mann, der eine solche Gelegenheit nicht vorübergehen läßt. Ich bin nur ein wenig enttäuscht, daß du mir darüber nichts erzählt hast. Aber das ist ja nun vorbei …«
»Ich habe mit Liyun kein Liebesverhältnis gehabt. Auch wenn du es nicht glaubst – ich schwöre es.«
»Warum dann die Einladung zu uns?«
Sie sagte ›uns‹. Für sie stand außer Zweifel, daß sie zu Rathenow gehörte, daß sie seine Frau war auch ohne Trauschein. Dieses ›uns‹ machte es Rathenow noch schwerer weiterzusprechen. Er umklammerte sein Glas mit beiden Händen.
»Bitte, nimm es gefaßt auf«, sagte er stockend. »Wir sind doch vernünftige, erwachsene Menschen …«
»Du liebst diese Chinesin …«, sagte sie mit gefährlicher, eisiger Ruhe.
»Ja. Ich liebe sie. Du hast es gesagt.«
»Und du glaubst, daß ich das akzeptiere?«
»Nein.«
»Was soll ich tun? Dir eine Szene machen? Was erwartest du von mir? Daß ich dein Porzellan zerschlage? Dein Manuskript verbrenne? Mich schreiend auf dem Teppich wälze? Diese Liyun erwürge?«
»Du kannst alles tun – nur faß Liyun nicht an!«
»So sehr liebst du sie?«
»Sie ist mir mehr wert als aller irdische Besitz. Mein Gott, warum tust du denn nichts? Warum sitzt du wie eine Salzsäule da?«
»Würde ein Tobsuchtsanfall etwas ändern?«
»Nein.«
»Warum also Kräfte vergeuden für nichts und wieder nichts?«
Sie erhob sich aus dem tiefen Ledersessel und strich das Oberteil ihres Hosenanzuges glatt. Jetzt traten ihr doch Tränen in die Augen, und Rathenow senkte den Kopf. »Ich gehe, Hans.«
»Es … es tut mir leid …«, sagte er leise und schuldbewußt.
»Meine Sachen lasse ich morgen abholen.« An der Haustür drehte sie sich um und blickte Rathenow mit einem schrecklich fremden Blick an. »Leb wohl, Hans«, sagte sie, aber sie reichte ihm nicht die Hand. »Ich will dich nie, nie wiedersehen! Hörst du: Werde glücklich mit deiner Chinesin, und wenn sie dich satt hat oder du sie – ich bin für dich nicht mehr vorhanden.«
Sie drückte die Klinke herunter und verließ das Haus, ohne sich umzusehen.
Er folgte ihr bis unter das säulengestützte Vordach und wartete, bis sie abgefahren war. Auch aus dem Wagen warf sie keinen Blick auf ihn, als sie an im vorbeifuhr.
Rathenow atmete auf, aber er war voller Unruhe. Er kam sich schäbig vor, gemein. Er hatte die Liebe einer Frau zerstört und ihre Seele verletzt. So etwas kann man nicht einfach wegschieben. Und er machte sich Sorgen um Franziska. Diese scheinbare Ruhe war nicht normal.
In seiner Angst rief er Dr. Freiburg an.
»Du wirst lästig!« sagte Freiburg unwirsch. »Immer rufst du an, wenn ich in Aktion bin! Ich stehe hier in der Unterhose, und nebenan im Bett wartet Liliane auf mich. Mach schnell. Was willst du?«
»Gerade ist Franziska weggegangen.«
»Und du lebst noch? Bist du verletzt? Soll ich dich abholen?«
»Es hat keine Szene gegeben. Sie ist ganz still gegangen.«
»Unmöglich! Hast du ihr die volle Wahrheit gesagt?«
»Ja.«
»Nicht so drumherum geredet, wie es deine Art ist?«
»Ich habe ihr ganz klar gesagt: Ich liebe Liyun.«
»Hans, mir gefällt nicht, daß sie das so ruhig hingenommen hat.« Freiburgs Stimme wurde sehr ernst. »Sie hat etwas vor, sage ich dir. Mein Gott, was hast du da angerichtet?«
»Daran habe ich auch gedacht. Bitte, ruf in einer Viertelstunde bei ihr an. Da muß sie zu Hause sein.«
»Immer ich!«
»Ich bin der letzte, der sie jetzt anrufen kann.«
»Dann bereite dich darauf vor, einen zerschmetterten Körper zu identifizieren!«
»Du hast das Gemüt eines Sauriers!«
»Anders geht es bei dir nicht. Ich rufe zurück.«
Eine halbe Stunde wartete Rathenow auf Freiburgs Anruf. Eine höllische halbe Stunde, wie sie Rathenow noch nie durchlebt hatte. Der Gedanke, daß Franziska sich etwas angetan haben könnte, ließ ihn fast wahnsinnig werden. Endlich schellte das Telefon. Freiburg war ernst.
»Ja?« fragte Rathenow heiser.
»Nein.«
»Was heißt nein?«
»Franziska ist zu Hause.«
»Gott sei Dank!«
»Du hast mehr Glück, als du verdienst! Aber das war ja immer so bei dir: In kritischen Situationen hat dir immer das Glück geholfen. Nur jetzt wirst du ausweglos im Netz zappeln – bei Liyun. Und jetzt laß mich endlich mit Liliane allein, du China-Opfer!«
Rathenow legte auf. Sie ist zu Hause … Gott sei Dank. Franziska, verzeih mir! Ich kann nicht anders.
*
Sonnabend nachmittag. Ein regnerischer
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