Der Schweizversteher
Accessoires kombiniert. Praktisch jeder
zweite Rotbeschuhte, den ich sehe, trägt entweder nichts in der gleichen Farbe
oder, Gott behüte, Dinge, die sich definitiv mit Rot beiÃen. Ich verlange ja
nicht, dass jeder stets mit perfekt abgestimmtem Outfit herumläuft, aber
schauen die Leute nicht in den Spiegel, bevor sie aus dem Haus gehen?
4. Theorie:
Die Schweizer sind farbenblind. Das würde jedoch bedeuten, dass sie alle
glauben, grüne Schuhe zu tragen, und ich weià nicht, was schlimmer ist.
5. Die
Schweizer sind allesamt gläubige Katholiken. Bis zur Beisetzung Johannes Pauls
II. (in der Schweiz auf 19
Kanälen und in sechs Sprachen ausgestrahlt) war mir nicht klar gewesen, dass
der Papst rote Schuhe trägt. Anscheinend ist das bei Päpsten Tradition. Aber
nur 42 Prozent
der Schweizer sind Katholiken, und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch
einige Nichtkatholiken gelegentlich ganz gern in rote Slipper schlüpfen. Ich
frage mich, ob sie über den Rotschuhfetischismus des Papstes Bescheid wissen.
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Jetzt ist es an der Zeit, Jane zu
fragen, eine englische Freundin, die schon viel länger in der Schweiz lebt als
ich und vielleicht tiefere Einblicke in die Schweizer Schuhseele gewonnen hat.
Als Frau könnte sie zudem Insiderinnenwissen liefern, das mir unzugänglich ist.
Nach einigem Nachdenken steuert sie die 6. Theorie bei: Auch Schweizer müssen
rebellieren. In einer Gesellschaft, in der Konformität so viel zählt, gibt es
nicht viele Möglichkeiten, anders zu sein, ohne Missbilligung auf sich zu
ziehen. Die langweiligen braunen/schwarzen/grauen Schuhe durch rote zu ersetzen
zeigt, dass man einen eigenen Kopf hat, und ist gesellschaftlich eher
akzeptabel, wenn auch weniger gewagt als eine Punkfrisur oder ein
Zungenpiercing. Diskreter Nonkonformismus ist ein durch und durch
schweizerischer Gedanke.
Vielleicht sind alle diese Theorien
falsch (sorry, Jane), und es ist einfach ein Fall von Nationalgeschmack, so wie
die Franzosen zu allem weiÃe Socken tragen oder Briten in einem bestimmten
Alter auffällig gemusterte Pullover für schick halten oder für Deutsche der
Vokuhila immer noch der angesagte Haarschnitt ist oder die Amerikaner gern
Socken in Sandalen tragen. Und dabei spreche ich nur von den Männern.
Jedenfalls ist die Rotschuhbrigade in der Schweiz längst nicht so beleidigend
für das Auge.
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Hahn oder Kreuz
Die
religiöse Spaltung der Schweiz
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit neun Mitbewerbern
bei »Wer wird Millionär« in der Auswahlrunde. Ihr Finger schwebt über den
Knöpfen. Die Aufgabe: Setzen Sie folgende Feiertage in die richtige
kalendarische Reihenfolge.
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A : Pfingsten
B : Mariä Himmelfahrt
C : Fronleichnam
D : Karfreitag
Kriegen Sie das hin? Die meisten Menschen hätten Mühe,
sofern sie nicht regelmäÃige Kirchgänger sind oder in einem katholischen Land
leben. Im Ringen um eine Art All-inclusive-Integration haben Länder wie
GroÃbritannien keine religiösen gesetzlichen Feiertage mehr auÃer Weihnachten
und Ostern, und von Kritikern wird ins Feld geführt, dass sogar diese ihre
ursprüngliche Bedeutung verloren hätten. Allerdings handelt es sich hier um
einen Fall von staatlich geförderter Ahnungslosigkeit. In der Schweiz jedoch
sind die meisten gesetzlichen Feiertage auch heute noch religiöse Feste und
haben neben ihren traditionellen Namen die überlieferte Bedeutung. Nicht, dass
es die Schweizer an politischer Korrektheit fehlen lieÃen, wobei das manchmal
durchaus der Fall ist, es zeigt eher, dass die Religion tatsächlich Einfluss
hat, was vor allem auÃerhalb der groÃen Städte ins Auge fällt.
Die Schweiz hat keine Staatsreligion, aber einige
Kantone gelten offiziell entweder als reformiert/protestantisch oder
katholisch. In anderen geht es aber auch bunt durcheinander. Die
einvernehmliche Aufteilung wird von den Einheimischen als irgendwie gottgegeben
betrachtet, auch wenn es für die Schweiz erst nach drei Jahrhunderten des
BlutvergieÃens zu einer tragfähigen Lösung kam.
Ach, und falls Sie die richtige Antwort wissen
möchten: D , A , C , B . Karfreitag ist einfach,
das ist der Tag, an dem Jesus gekreuzigt wurde; sieben Wochen später folgt
Pfingsten, als der Heilige Geist über die verbliebenen elf Apostel kam. Zehn
Tage danach ist Fronleichnam, ein Kirchenfest, bei dem eher die Eucharistie als
ein konkretes
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