Der Schweizversteher
Ereignis gefeiert wird; den Schluss bildet Mariä Himmelfahrt am 15.
August. Nicht alle diese Feiertage werden überall in der Schweiz begangen, wann
man frei hat, hängt also vom Wohnort ab.
Um die Aufspaltung der Schweiz in protestantisches und
katholisches Territorium wurden nach der Reformation Kriege geführt und
Märtyrertode gestorben. Heute ist der gröÃte Streitpunkt, wer mehr gesetzliche
Feiertage bekommt. Wie alles andere in der Schweiz ist auch der Ferienkalender
das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen bis hin zu einem Konsens.
Freie Tage, Feiertage
Wenn Sie am 8. Dezember eine
protestantische Stadt wie Bern besuchen, werden Sie in den StraÃen und auf dem
Weihnachtsmarkt dichtes Gedränge erleben. Das liegt nicht daran, dass es nur
noch ein paar Wochen bis zum Fest sind, sondern an dem katholischen Feiertag,
mit dem der Unbefleckten Empfängnis gedacht wird. In meiner anglikanischen
Ahnungslosigkeit glaubte ich, das Kirchenfest hätte etwas damit zu tun, wie
Maria schwanger wurde. Zugegeben, eine Schwangerschaft von nur 17
Tagen wäre ein Wunder gewesen, da bleibt ja kaum genug Zeit für die Phase der
Morgenübelkeit, geschweige denn um auf einem Esel bis nach Bethlehem zu reiten.
Aber mit Gott als Vater ist schlieÃlich alles möglich. Wie sich jedoch
herausstellte, geht es gar nicht um die Empfängnis Jesu, sondern um die von
Maria. An diesem Tag wird Annas bevorstehende Niederkunft gefeiert, was daran
unbefleckt war, bleibt für mich allerdings vage. Vielleicht war es einfach ein
sehr reinlicher Vorgang ohne irgendwelche Flecken, möglicherweise war Anna ja
Schweizerin â hier ist immer alles fleckenlos, zweifellos also auch eine
Empfängnis. Jedenfalls sind an Schweizer Feiertagen die Geschäfte geschlossen.
In diesem Fall die katholischen.
Der Kanton Bern erinnert an das elisabethanische
England â eine protestantische Insel inmitten eines katholischen Ozeans, wo an
katholischen Feiertagen fast alle umliegenden Kantone dichtmachen. Und sobald
die Katholiken einen Feiertag haben, kaufen sie im nächstgelegenen
protestantischen Kanton ein. Maria wurde empfangen, also gehtâs zum Shoppen.
Maria fährt zum Himmel auf, also gehtâs zum Shoppen. Maria durch den Dornwald
ging ⦠na ja, vielleicht nicht. Was die gesetzlichen Feiertage angeht, lohnt es
sich jedenfalls ganz unabhängig vom eigenen Glauben, in einem katholischen
Kanton zu leben. Es klingt zwar wie ein Klischee, aber die Protestanten
arbeiten mehr, und sei es nur, weil sie müssen.
Werfen wir einen Blick auf die beiden Halbkantone
Appenzell, wo zuerst über diese Frage abgestimmt wurde und man sich bereits 1597
wegen der Reformation spaltete. Wohnt man in Ausserrhoden, dem protestantischen
Teil, dann hat man vier gesetzliche Feiertage weniger als die katholischen
Vettern und Kusinen auf der anderen Seite der Grenze. Den hart arbeitenden
Protestanten stehen nur acht gesetzliche Feiertage zu, ihnen entgehen neben der
vorher erwähnten Unbefleckten Empfängnis auch Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt
und Allerheiligen am 1.
November. Prima, falls man ein Geschäft hat, das von den vielen katholischen
Tagesausflüglern profitiert. Blöd, wenn man in einem Büro arbeitet. Und die
Ausserrhoder machen da mit â ein Wunder. Dass die Leute in Norfolk freiwillig
vier Tage mehr arbeiten würden als in Suffolk, ist für einen Engländer
unvorstellbar.
Jedenfalls wohnt man am angenehmsten im Tessin, im
italienischsprachigen Teil südlich der Alpen, und das nicht nur der Küche
wegen. Auch wenn man vielleicht in der übrigen Schweiz über die Arbeitsmoral
der Tessiner beziehungsweise das Fehlen derselben lästert, es ist bestimmt kein
Zufall, dass dieser Kanton mit mehr gesetzlichen Feiertagen gesegnet ist als
jeder andere. Neben den sieben landesweiten dürfen sich die Tessiner über acht
weitere freuen. Zusammen also 15. Darunter sind die vier Extrafeiertage, die
auch ihren braven katholischen Glaubensbrüdern in Appenzell Innerrhoden
vergönnt sind, auÃerdem haben sie noch das Fest der Heiligen Drei Könige, des
heiligen Josef, den Ersten Mai und St. Peter und Paul, die Namenspatrone des
Kantons, zu feiern.
Wirklich interessant ist der Karfreitag, der nicht
überall begangen wird. Mit einem typisch Schweizer Kompromiss wird damit den
protestantischen Kantonen ein kleiner Ausgleich dafür gewährt, dass sie
insgesamt weniger
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