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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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uns, sondern anderen.

    Isti rührte sich auch dann nicht, als mein Vater schon auf der Terrasse stand, bereit zur Anlegestelle zu gehen, und durch seine Zähne pfiff, wie nach einem Hund, um Isti zu bedeuten, es reicht, hör auf damit, komm mit uns, jetzt, sofort. Ági zog ihren Mantel wieder aus, legte ihren Schal ab, ihre Mütze, schlüpfte aus ihren Schuhen, ging die Stufen hoch zum Dachboden, und Zoltán fragte, was hat sie vergessen? Ági packte Isti, so wie er war, in seine Decke gehüllt, und trug ihn die Stiegen hinunter. Isti wehrte sich nicht, er ließ Arme und Beine hängen, als könne er sie nicht bewegen, als habe er das noch nie gekonnt, und Großmutter sagte, laß ihn, du wirst euch das Genick brechen, auf diesen Stufen, laß ihn. Aber Ági ließ ihn nicht. Sie trug Isti bis zum Fenster, setzte ihn dort ab, auf einem Stuhl, vor dem Glas, mit Blick auf die Reben, die uns etwas ängstigten um diese Jahreszeit, immer, wenn das Licht in einem bestimmten Winkel fiel. Ági nahm die Decke von Istis Schultern und legte sie langsam zusammen, ohne ihren Blick von Isti abzuwenden, zog ihm seine Jacke an, setzte ihm die Mütze auf, nahm seine Füße, erst den rechten, dann den linken, und steckte sie in Schuhe. Wie eine Puppe, die sie ins Fenster eines Ladens stellten, in Pápa oder Budapest oder Siófok, saß Isti da. Auf dem Weg zum Ufer lief er zehn Schritte hinter uns, mindestens zehn, versteckte sich hinter Mauern und Zäunen oder verschwand hinter Bäumen, als könne er wegbleiben, ohne daß wir es merkten. Jedesmal wenn er stehenblieb, drehte sich mein Vater um, machte eine Bewegung mit seinem Kinn, erst zu Isti, dann in Richtung See, und Isti ging langsam weiter, die Hände tief in den Hosentaschen, den Blick gesenkt, ein bißchen wie an einer Leine.

    Virág löste am Kartenhäuschen den Fahrschein, die letzten Meter liefen wir ohne ein Wort, erst unten an der Fähre sagte Zoltán, die Männer lassen das Gitter hinab, und er sagte es, als wüßte er nicht mehr, wie ein Schiff anlegt, als habe er auch das vergessen. Isti war oben an der Mole vor der Kartenbude stehengeblieben und weigerte sich, noch einen Schritt weiterzugehen. Ági winkte ihm, gab ihm Zeichen, aber Isti wendete seinen Blick ab, als kenne er Ági nicht. Bevor Großmutter über das Gitter aufs Schiff ging, lief sie noch einmal zurück über die Mole, zwischen all den anderen, die zur Fähre wollten, und sie lief schneller als sonst, viel Zeit blieb nicht mehr. Virág drehte sich um nach ihr, dabei schlugen die Flaschen in der Kiste aneinander, und Ági sagte, sei vorsichtig, sonst zerspringt das Glas. Vor Isti blieb Großmutter stehen, die anderen eilten an ihr vorbei, und sie stand dort, ohne etwas zu tun, ohne sich zu bewegen, ohne zu reden, nicht länger als ein paar Sekunden, bestimmt nicht, aber uns kam es viel länger vor. Isti schaute zu Boden, Großmutter faßte sein Gesicht mit beiden Händen, er ließ es geschehen und sah hoch zu ihr. Sie sagte etwas, und Isti nickte, erst nur ein wenig, als sei es zu mühsam, als habe er keine Kraft dafür, dann etwas heftiger, etwas schneller. Großmutter strich über seinen Kopf, über sein Haar, und Isti begann zu reden. Ich konnte sehen, wie sich seine Lippen bewegten. Und dann nickte Großmutter, sie hörte nicht mehr auf damit, mit diesem Nicken, als wollte sie Isti bedeuten, jedes Wort, das du sagst, verstehe ich, jedes Wort, und Isti schob seinen rechten Fuß über den Boden, vor und zurück, ein paar Mal, und er redete und redete, und wir anderen, wir schauten auf die beiden und wagten nicht zu rufen, es ist Zeit.

    Isti stand hinter uns, als wir dem Schiff nachwinkten, nur ein paar Schritte entfernt. Als einziger hob er nicht seine Hand, und es sah fast komisch aus, wie er seine Hände in den Hosentaschen vergrub, als wisse er nicht, was zu tun sei, wenn ein Schiff ablegt. Wir schauten der Fähre lange nach. Wir blieben noch, als sich die Mole und das Ufer ringsum geleert hatten und es wieder still geworden war, so still, daß wir hören konnten, wie Isti hinter dem Kartenhäuschen mit Steinen gegen eine Wand aus Blech warf. Zoltán trat einen Schritt vor, bis seine Fußspitzen über den Rand der Mole ragten. Er sagte, früher, als der See noch zufror, sei er im Winter auf einem Schlitten übers Eis geglitten, mit einem Segel, das über seinem Kopf flatterte und das er im Wind hatte festhalten müssen, ob auch wir uns daran erinnern?, und mein Vater sagte - ja.

Irén.
    Isti hörte

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