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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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pathologischen
Verbrechen aus. Es hatte mehrere Täter gegeben, woraus er schloss, dass sie im
Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen waren.
    Bei satanistisch begründeten Fällen kamen Gruppenmorde häufig vor.
Denn erst in der Masse fanden die Einzelnen den Mut, Taten zu begehen, zu denen
sie sonst nie fähig wären. Die Gemeinschaft half ihnen, ihre natürlichen
Hemmschwellen zu überwinden, und die geteilte Verantwortung verhinderte
Schuldgefühle.
    Es gab einen sogenannten »Acid«-Satanismus, dessen Anhänger jede
Menge Drogen konsumierten, was sie noch beeinflussbarer machte. Solche
Gruppierungen erkannte man leicht an ihrer Kleidung, die von der Farbe Schwarz
und satanistischen Symbolen geprägt war. Sie ließen sich allerdings eher von
Heavy-Metal-Musik als von ketzerischen Texten inspirieren.
    Das Wort EVIL an Valeria Altieris Schlafzimmerwand konnte unter
Umständen auf eine solche Gruppierung verweisen, überlegte Marcus. Andererseits
töteten deren Anhänger nur selten Menschen, sondern gaben sich damit zufrieden,
schwarze Messen zu feiern und unschuldige Tiere zu opfern.
    Echter Satanismus ist längst nicht so platt, dachte Marcus. Er
beruht auf absoluter Geheimhaltung. Es gibt keine Beweise für seine Existenz,
nur irreführende und widersprüchliche Indizien. In Wahrheit gibt es nur sehr
wenige satanistische Verbrechen, die nicht Fanatikern oder Geisteskranken
zugeschrieben werden müssen. Die berühmtesten hatten ausgerechnet in Italien
stattgefunden – die Morde des sogenannten »Monsters von Florenz«.
    Marcus las sich die Zusammenfassung dieses Falls aufmerksam durch.
Der entnahm er, dass die acht Doppelmorde, die sich zwischen 1974 und 1985
zugetragen hatten, nicht das Werk eines Einzeltäters, sondern einer Tätergruppe
gewesen waren. Die Ermittler hatten zwar Schuldige verhaftet, waren der Sache
jedoch nicht wirklich auf den Grund gegangen. Und das, obwohl man davon
ausgehen musste, dass es Auftragsmorde gewesen waren, die mit irgendeiner
magischen, aber nie nachgewiesenen Sekte zu tun hatten. Die These lautete, dass
die Taten in Auftrag gegeben worden waren, um so an Fetische menschlichen
Ursprungs für irgendwelche Zeremonien zu kommen.
    Marcus stieß auf eine Passage, die ihm möglicherweise weiterhelfen
konnte. Sie betraf das Motiv des »Monsters von Florenz«, das stets junge
Pärchen beim Stelldichein auf dem Land getötet hatte: Der
schönste Tod ist der während des Orgasmus, er wird auch mors justi genannt . Angeblich wurden in diesem Moment bestimmte
Energien freigesetzt, die die Wirksamkeit schwarzer Magie erhöhten.
    In allen Fällen hatten sich die Morde nach dem Kalender gerichtet.
Sie hatten stets an Tagen vor christlichen Feiertagen, vorzugsweise bei
Neumond, stattgefunden.
    Marcus überprüfte das Datum, an dem Valeria Altieri und ihr
Liebhaber ermordet worden waren: in der Nacht vom 24. März, kurz vor der
Verkündigung des Herrn. Laut dem Evangelium war das der Moment, in dem der
Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria verkündet hatte, dass sie Gottes Sohn zur
Welt bringen würde. Außerdem war Neumond gewesen.
    Die Voraussetzungen für ein satanistisches Verbrechen waren also
durchaus gegeben. Jetzt mussten die Ermittlungen, die seit fast zwanzig Jahren
brachlagen, nur wieder aufgenommen werden. Marcus war überzeugt, dass irgendjemand
über die Tat Bescheid wusste, aber beschlossen hatte, zu schweigen. Er griff in
seine Tasche und zog Ranieris Visitenkarte hervor, die er von Raffaele Altieris
Schreibtisch genommen hatte.
    Mit dem Privatdetektiv würde er anfangen.
    Ranieris Büro lag im obersten Stock eines Hauses im
Prati-Viertel. Marcus sah, wie er aus einem grünen Subaru ausstieg. Er sah viel
älter aus als auf dem Foto seiner Webseite, die für seine Detektei warb. Marcus
hielt es für wenig geschickt, dass sich jemand, der zur Diskretion gezwungen
war, aller Welt präsentierte. Aber Ranieri schien das egal zu sein.
    Bevor Marcus ihm ins Haus folgte, sah er, dass das parkende Auto
schlammbespritzt war. Obwohl es in letzter Zeit ständig geregnet hatte, konnte
es nicht in Rom so verdreckt worden sein. Er schloss daraus, dass der Detektiv
auf dem Land gewesen war.
    Der Portier des Gebäudes las gerade Zeitung, sodass Marcus ungesehen
an ihm vorbeikam. Ranieri hatte auf den Lift verzichtet, und so, wie er die
Treppe hochrannte, schien er es eilig zu haben.
    Ranieri betrat sein Büro. Marcus dagegen blieb im ersten Stock
stehen. Dort gab es eine Nische, in der er sich

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