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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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hatte Kommissar Maus vorgehabt, auch im Krankenwagen zu bleiben, aber die Aussicht, sich Hammers Geschwätz anhören zu müssen, veranlasste ihn dazu, seinen Plan spontan zu ändern. Es war für die Nerven erträglicher, hinterherzufahren, und die Aussicht, sich entspannt auf die bevorstehende Befreiungsaktion der Geiseln sowie auf die anschließende Verhaftung einer gemeingefährlichen Verbrecherin vorbereiten zu können, überwog gegenüber seinem Drang, als Erster anzukommen.
    »Äh, da wäre aber doch noch eine Kleinigkeit«, bemerkte Hammer, der von Maus zwar sanft aber mit Nachdruck zu der offenen Beifahrertür des Ambulanzwagens geschoben wurde.
    »Was?«, sah sich der Kommissar genötigt zu fragen.
    »Tja, es geht um unseren Streifenwagen. Ich hatte doch vorhin diesen Einsatz Bauerstraße 100. Und da ist mir aufgefallen, dass der Auspuff immer noch nicht repariert worden ist. Der hat dermaßen laut geklappert, müssen Sie wissen. Ja, und dann habe ich mich der Sache mal angenommen und kurzerhand den Enkelsohn von einem Spezel von meinem Großvater mütterlicherseits angerufen, der ihn vor zwei Stunden auch abgeholt hat. Der ist nämlich Mechaniker und macht uns einen guten Preis. Aber was das beste is, er macht’s privat und übers Wochenende bei sich zu Hause, wo er eine kleine Werkstatt nur für Freunde hat. Da kriegen wir den Wagen so gut wie neu Montag, spätestens Dienstag, zurück.«
    Maus schloss kurz die Augen, damit man nicht sah, dass ihm fast ein schlimmes Schimpfwort entschlüpft wäre. Konnte nicht einmal etwas reibungslos verlaufen? Aber da es keinen Sinn ergab, mit dem Schicksal zu hadern, man nach vorne schauen und das Beste aus einer Situation herausholen musste, entschied er schnell: »Gut, verstehe. Dann nehmen wir eben meinen Wagen! Meine Herren, bitte kommen Sie mit!«
    Er nickte Schnabelhuber zu, der sofort verstand, seinen jungen Kollegen am Arm griff und Maus folgte.
    »Hallo Horst!«, grüßte Hammer freundlich und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
    »Tachchen«, nickte der Angesprochene. »Anschnallen nicht vergessen!«
    »Ja, geht klar.«
    Etwas behindert durch den Aktenordner mühte sich Hammer mit dem Sicherheitsgurt ab, blickte sich dabei über die Schulter und sah gerade noch Doktor Frank hinter dem EKG-Gerät abtauchen.
    »Hallo Doc!«, rief er. »Suchen Sie was?«
    »Schon gefunden.«
    Es war erstaunlich, dass der sonst so gelassene Doktor doch tatsächlich rot wurde. Schnell öffnete er die Hecktür, stieg aus und rief: »Maus! Warten Sie bitte. Ich fahr bei Ihnen mit!«
    Mit einem lauten »Rums« fiel die Tür wieder ins Schloss. Zurück blieben Hammer und Horst, die sich erstaunt ansahen.
    Als fünf Minuten später der kleine Konvoi abgefahren war, lag der Platz wieder so ruhig und friedlich da, als wäre nichts geschehen. Mit einem leisen Knarren öffnete sich die große Eingangstür des Reviers und Herr Li, den schlafenden Oskar auf dem Arm, schlüpfte heraus.
    »Na!«, murmelte er zu sich selbst. »Da geht man einmal auf Toilette und währenddessen machen sich die Gesetzeshüter aus dem Staub. Was soll man davon halten?«
    Oskar gab ein kleines Schnarchen von sich, rieb seinen Kopf an Herrn Lis Schulter, suchte eine bequemere Stelle, seufzte und schlang die Arme noch fester um den Hals des Mannes.
    »Ja, was mach ich denn jetzt mit dir?«, flüsterte Li sorgenvoll. »Ich kann dich doch nicht hier allein lassen? Hm, dann kommst jetzt einfach mit zu uns. Und morgen darfst du ein bisschen mit der Schildkröte spielen, bevor sie in den Kochtopf wandert.«
    Er drehte sich nach rechts und stieg langsam die Stufen hinunter zu seinem Auto, das mit einem schönen roten Drachen verziert war.

136
    Es fiel ihm schwer, die Hände zu bewegen. Bei den Beinen war überhaupt nichts zu machen. Hannes seufzte. Um seinen ganzen Körper war ein dickes Seil geschlungen, die Hände waren auf dem Rücken festgezurrt. Sandra war eindeutig ein großes Päckchenpacktalent. Eine kurze Pause, dann begann er wieder ungeduldig an den Fesseln zu zerren. Das Seil schnitt in die Handgelenke, aber er ignorierte den Schmerz. Die Arme wurden lahm. Erschöpft ließ Hannes den Kopf wieder auf den Boden sinken.
    Mein Gott, wie lange mochte er denn schon hier sein? Und wo war er eigentlich? Soweit er gesehen hatte, handelte es sich um eine Baustelle. Es roch nach Staub und Zement. In der Ecke stand ein großer Betonmischer, daneben ein Stapel mit Dämmmaterial. Das Mondlicht fiel durch die Streben, die

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