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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Zeit hatte, es sich anders zu überlegen, entfernte Abby sich mit schnellen Schritten und zerrte das Kind, das sich sträubte, damit es echt aussah, an dem Seil hinter sich her.
    Niemand folgte ihnen. Abby wollte laufen, konnte es aber nicht. Sie wollte das Mädchen tragen, konnte es aber nicht. Es mußte so aussehen, als würde eine Mord-Sith eine Gefangene abführen.
    Anstatt auf dem kürzesten Weg zu Zedd zurückzukehren, folgte Abby den Hügeln flußaufwärts bis zu einer Stelle, wo die Bäume fast bis zum Ufer Schutz boten. Zedd hatte ihr gesagt, wo sie den Fluß überqueren konnte, und sie ermahnt, auf keinen Fall einen anderen Weg einzuschlagen; er hatte magische Fallen aufgestellt, die die D´Haraner daran hindern sollten, die Hügel herabzustürmen und ihn an seinem Vorhaben zu hindern, was immer das auch sein mochte.
    Als sie dem Fluß näher kam, sah sie ein kleines Stück flußabwärts eine Nebelbank dicht über dem Boden hängen. Zedd hatte sie mit Nachdruck davor gewarnt, sich irgendwelchem Nebel zu nähern. Sie vermutete, daß es eine giftige Wolke war, die er beschworen hatte.
    Das Plätschern von Wasser verriet ihr, daß sie dicht am Fluß sein mußte. Der rosa Himmel lieferte genug Licht, so daß sie ihn schließlich erblickte, als sie den Rand der Baumgruppe erreichte. Zwar konnte sie das gewaltige Lager in der Ferne hinter sich auf den Hügeln sehen, aber niemanden, der ihnen folgte.
    Abby nahm dem Kind das Seil ab. Das Mädchen sah sie mit diesen großen, runden Augen an. Abby hob sie hoch und drückte sie an sich.
    »Halt dich fest und sei still!«
    Abby drückte den Kopf des Kindes an ihre Schulter und lief zum Fluß.
     
    Sie sah Licht, aber es war nicht die Dämmerung. Sie hatten das eiskalte Wasser durchquert und das andere Ufer erreicht, als es Abby zum erstenmal auffiel. Noch während sie am Flußufer entlang rannte und bevor sie die Quelle des Lichts sehen konnte, wußte Abby, daß hier eine Magie beschworen wurde, die sich von jeder Magie unterschied, die sie vorher gesehen hatte. Ein leises, dünnes Geräusch tönte flußaufwärts zu ihr. Über dem Ufer hing ein Geruch, als wäre die Luft selbst in Brand geraten.
    Das Mädchen klammerte sich an Abby fest, Tränen strömten ihr über das Gesicht, und sie schien Angst davor zu haben, ein Wort zu sagen - Angst, so schien es, vor der Hoffnung, daß sie wirklich gerettet worden sein könnte, als könnte alles wie ein Traum nach dem Erwachen verschwinden, wenn sie auch nur eine Frage stellte. Abby spürte die Tränen, die an ihren eigenen Wangen hinabliefen.
    Als sie um eine Biegung des Flusses kam, konnte sie den Zauberer sehen. Er stand in der Flußmitte auf einem Felsen, den Abby nie vorher gesehen hatte. Der Felsen war gerade groß genug, daß er wenige Zentimeter aus dem Wasser ragte, so daß es fast aussah, als stünde der Zauberer auf der Wasseroberfläche.
    Er hatte das Gesicht dem fernen D´Hara zugewandt, und vor ihm schwebten dunkle und wallende Formen in der Luft. Sie wanden sich um ihn herum, als würden sie ihm vertrauliche Mitteilungen machen, ihn warnen und mit schwebenden Armen und tastenden Fingern verlocken, die sich um ihn kräuselten wie Rauch.
    Unruhiges Licht flammte um den Zauberer herum auf. Dunkle und wundersame Farben flimmerten um seine Gestalt und verschmolzen mit den schattenhaften Formen, die in der Luft waberten. Es war der bezauberndste und zugleich furchterregendste Anblick, den Abby je erlebt hatte. Keine Magie, die ihre Mutter beschworen hatte, hatte je . . . lebendig ausgesehen.
    Aber bei weitem am furchteinflößendsten war, was vor dem Zauberer in der Luft schwebte. Es schien eine geschmolzene Kugel zu sein, so heiß, daß sie von innen heraus glühte, mit einer Oberfläche rissiger, flüssiger Schlacke. Ein Wasserstrahl aus dem Fluß wurde auf magische Weise wie ein Springbrunnen in die Höhe gelenkt und ergoß sich auf die kreisende silberne Masse.
    Das Wasser zischte und dampfte, wenn es auf die Kugel traf, und wurde zu weißen Dampfwolken, die im sanften Wind der Dämmerung davonwehten. Die geschmolzene Form wurde schwarz, wenn das Wasser sie berührte, aber die gewaltige Hitze im Inneren schmolz die glasartige Oberfläche gleich wieder, so schnell, wie das Wasser sie abkühlte, so daß das ganze Ding in der Luft blubberte und brodelte, eine pulsierende, bedrohliche Gefahr.
    Abby stand gebannt da und ließ das Kind auf den schlammigen Boden gleiten.
    Das kleine Mädchen streckte die Arme aus.

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