Der Silberbaron
leichtere Stimmung auf.
Stephen verzog das Gesicht. “Dazu ist es doch zu kalt, mein Liebling”, beschwerte er sich bei seiner strahlenden Frau.
“Lass die Fackeln anzünden, damit du mit deiner Frau einen romantischen Spaziergang machen kannst”, wies Richard seinen Bruder an und deutete zur Tür. Auf Stephens finsteren Blick hin lächelte er, so dass sein Bruder verstimmt mit den Schultern zuckte und von der Tafel aufstand.
“Ich würde auch gern mitkommen”, verkündete Veronica und sah Richard kokett an.
“Aber natürlich”, sagte Miriam und tauschte einen verschwörerischen Blick mit Susan Petersham. “Du wolltest vorhin doch an die frische Luft, Richard. Nun, begleite Veronica.”
Ross schob seinen Stuhl zurück. “Ich bestehe darauf”, brummte er heiser, “dass Miss Petersham mir dieses Privileg gewährt.”
Veronica erschauerte sichtbar und erhob sich wie in Trance. Ihre Augen weiteten sich, als Ross piratenhaft auf sie hinablächelte, und Arm in Arm schlenderten sie davon.
Emma spähte zu Richard hinüber und sah, dass er hinter vorgehaltener Hand ein Lachen verbarg. Dann wandte er sich zu ihr.
“Vermutlich wollen Sie sagen, Sie würden eher in den See hineinspringen, als mit mir dorthin zu gehen”, sagte er leise, immer noch amüsiert.
“Sie besitzen wirklich eine ganz erstaunliche Beobachtungsgabe!” Emma legte ihre Serviette auf den Tisch, froh, nun endlich in ihr Zimmer gehen zu können. Ein wenig schämte sie sich wegen ihrer frechen Bemerkung – schließlich hatte er sie soeben erst vor Susan Petershams neugierigen Fragen gerettet.
Die anderen waren bereits im Aufbruch begriffen. “Komm doch mit, Richard, und Sie auch, meine Liebe”, lud Miriam sie ein. “Ich leihe Ihnen einen Umhang, dann brauchen Sie nicht auf Ihr Zimmer zu gehen.” Sie war draußen, ehe Emma eine Ausrede vorbringen konnte.
“Na, finden Sie es romantisch?”
Emma ließ den Blick über das verschattete Laub schweifen, über die dunkle, seidig glänzende Wasserfläche, lauschte auf die sanften Wellen, die an den Steg schlugen, und das beruhigende Rauschen von abertausenden von Blättern. Dann blickte sie auf den Weg, den sie gekommen waren. Ein Pfad, zu beiden Seiten erleuchtet von flackernden Fackeln, führte zurück zum Haus, dessen warmer gelber Farbton durch Wandleuchten noch verstärkt wurde. Sie legte den Kopf in den Nacken, um den samtblauen, sternenübersäten Nachthimmel zu bewundern. Ein lauer Wind strich über ihr Haar und ihr Gesicht. Sie konnte nicht lügen. “Ja”, sagte sie nur.
Richard lächelte und nickte, den Blick immer noch auf den See gerichtet. Die anderen waren ein Stück entfernt; sie hielten sich an die Wege, während er sie auf einen Steg geführt hatte, wo mehrere kleine Boote lagen, mit denen man auf eine bewaldete Insel übersetzen konnte.
“Als Kind haben Sie hier gewiss eine herrliche Zeit verlebt”, sagte sie nachdenklich. “Sie konnten angeln, Boot fahren und schwimmen.”
“Das stimmt”, erwiderte er. “David und ich verbrachten hier draußen oft den ganzen Sommer. Manchmal sind wir tagelang nicht ins Haus gegangen. Wir haben auf der Insel drüben geschlafen.”
Emma blickte ihn von der Seite an. Sie konnte sich die beiden Jungen gut vorstellen, einer dunkel, der andere blond, wie sie mit Angelleinen hantierten. “Es muss wunderbar gewesen sein. Ich wäre gern als Junge auf die Welt gekommen …”
Er lachte.
“Was ist daran komisch?”, erkundigte sie sich hochmütig.
“Nichts”, erwiderte er ironisch. “Vor allem für einen Mann, dem Sie als Mädchen gefallen.”
Emma schnaubte empört, wandte jedoch den Kopf ab, um ein Lächeln zu verbergen. Da erblickte sie Miriam am Ufer, die ihnen zuwinkte. “Ich glaube, Ihre Mutter ruft Sie. Vermutlich will sie, dass Sie sich mit Miss Petersham ergehen”, spottete Emma, unfähig, ihre boshafte Erheiterung zu verbergen. “Oder sind Sie zufrieden, wenn Ross das für Sie übernimmt?”
Richard sah auf sie hinab. “Überaus zufrieden, und das weiß er auch. Dazu sind Freunde doch da, meine Liebe.”
Emma lächelte. “Ross ist wirklich ein arger Charmeur, nicht wahr? Vermutlich ist er ebenfalls ein vollendeter Spitzbube … aber ein ganz netter, reizender”, schränkte sie ein und war sich gar nicht bewusst, wie beleidigend das klang.
“Er stammt aus einer langen Reihe von keltischen Spitzbuben. Und es stimmt, er ist ein vollendeter Charmeur. Daneben bin ich der reinste Waisenknabe”, sagte er mit
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