Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman

Titel: Der silberne Falke - Fox, K: Der silberne Falke: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
Vom Netzwerk:
» S päter, David, später « , beschwichtigte er ihn schnell und zog ihn weiter, um dem verführerischen Duft der Backwaren zu entfliehen.
    Wie sollten sie in London nur zurechtkommen? In einer solchen Stadt brauchte man Geld, viel Geld. Wer keines besaß und keine Arbeit hatte, saß auf der Straße und bettelte. Er brauchte sich ja nur umzusehen: Überall lungerten in Lumpen gekleidete Frauen und Männer herum, streckten den Vorbeieilenden eine bittende Hand entgegen und versprachen, als Gegenleistung für das Seelenheil der Barmherzigen zu beten. Einbeinige Männer lehnten an Holzkrücken, andere mussten sich ganz ohne Arme oder Beine durchs Leben schlagen und baten laut jammernd um Hilfe. Verbrühte und verbrannte Menschen stellten ihre narbige Haut zur Schau; Blinde, Taube, Kranke und Zurückgebliebene wie David – sie alle bettelten und flehten um Almosen.
    Das schwerste Los von allen schienen jedoch die Aussätzigen zu haben. Sie versuchten, ihre Male mit Verbänden zu bedecken, doch wenn sie, wie das Gesetz es verlangte, mit ihren Schellen läuteten, um ihr Näherkommen anzukündigen, stoben die Menschen vor Angst auseinander.
    William zog den staunenden David hinter sich her und musste dazu all seine Kraft aufbringen, weil der Junge von dieser ihm fremden Welt vollkommen fasziniert war. Mit ungläubigen Kinderaugen betrachtete er Menschen, Gebäude und Tiere, ohne sich zu fürchten. Er lachte, als er Kinder spielen sah, und legte die Stirn in Falten, als ein Mädchen mit einer Gerte auf den Rücken eines Schweins schlug, um es voranzutreiben.
    Die Menschen drängten auf eine imposante Kathedrale zu, welche die Stadt überragte. Von der Frau, die neben ihm ging, erfuhr William, dass sie dem heiligen Paulus geweiht war.
    Staunend blieb er vor der imposanten dunklen Steinfassade stehen, legte den Kopf in den Nacken und sah in die Höhe. Ein so großes Gebäude hatte er noch nie gesehen. Als David, der ein paar Schritte hinter ihm stand, eine Münze zugeworfen bekam, hinkte sogleich ein Bettler wütend gestikulierend auf den Jungen zu und versuchte, ihn von dem Platz zu verjagen, den er für den seinen hielt.
    David begann, zu greinen und sich über den Bauch zu reiben. So rührte er auch das mildtätige Herz einer edel gekleideten Frau, die offenbar zum Abendgebet nach St. Paul’s gekommen war. Mit einem freundlichen Lächeln ging sie auf ihn zu und schenkte ihm zwei Kupfermünzen. Sobald sie ihm jedoch den Rücken gekehrt hatte, kamen erneut wütende Bettler herbeigeeilt. Diesmal drohten sie David Prügel an, wenn er nicht auf der Stelle verschwand, und William zog ihn schnell fort.
    Die Münzen reichten für einen großen Laib Brot vom Vortag. Zum Essen ließen sie sich auf den Stufen einer schäbigen kleinen Kirche nieder. Hier gab es keine Bettler, denn den Menschen, die dieses Gotteshaus besuchten, sah man an, dass sie selbst von der Hand in den Mund lebten und sich Freigiebigkeit nicht leisten konnten.
    William rührte das Brot nicht an, während sich David gierig darüber hermachte und es bis auf den letzten Krümel verspeiste. Dass es hart und trocken war, kümmerte ihn nicht.
    William bemerkte, dass der Priester der kleinen Kirche sie schon seit einer Weile vom Portal aus beobachtete, und wollte bereits aufbrechen, als der ärmlich gekleidete Gottesmann auf sie zukam und ihnen ein Plätzchen zum Übernachten in seiner Kirche anbot. Dankbar nahmen sie an und richteten sich wenig später auf dem festgetretenen Lehmfußboden für die Nacht ein. Bevor sich David schlafen legte, brachte der Priester ihnen noch zwei Hände voll Kirschen und bestand darauf, dass William wenigstens die Hälfte davon selbst aß. Gehorsam verspeiste William seinen Teil der süßen, saftigen Früchte und spürte erst jetzt, wie hungrig er war.
    Als David sich endlich auf seinem Lager zusammengerollt hatte und eingeschlafen war und auch der Habicht ruhte, stand William noch einmal auf und bat den Priester, ihm die Beichte abzunehmen. Vielleicht würde das Sakrament ja sein Herz erleichtern.
    Zuerst war es schwer, die richtigen Worte zu finden und all das Schmerzhafte auszusprechen, das er sich vorwarf, doch irgendwann sprudelte alles nur so aus ihm heraus. Durch welche Hölle hatte Enid gehen müssen, weil er nicht für sie da gewesen war! Wie sehr musste sie die Angst um ihr Leben und um das des ungeborenen Kindes gepeinigt haben! Das Gefühl der Schuld drohte William zu ersticken. Er rang nach Atem, machte sich Vorwürfe,

Weitere Kostenlose Bücher